Centre for Ethics and Responsibility (ZEV)
Dr. Susann Kabisch auf der re:publica - Vom Tod in der Netzfamilie
Als Philosophin sprach sie gemeinsam mit Jens Scholz (Consultant Digital Experience und Social Media) und Nadia Zaboura (Kommunikationswissenschaften/Zaboura Consulting) unter dem Titel „Vom Tod in der Netzfamilie“ über den Umgang mit dem Tod, wie sich die Erinnerungskultur in einer digitalisierten Welt verändert hat und wie Tabus funktionieren. Thema war auch, wie Tabus mit gesellschaftlichen Strukturen und Kulturen zusammenhängen und wie wir uns trotz dieser auch in einer Trauersituation näher kommen können.
Tod als Tabu? Susann Kabisch stellt während ihres Inputs Fragen in den Raum: In welchem Verhältnis stehen Themen wie Tod, Sterben, Leid und Trauer (und deren Tabuisierung) zu Kapitalismus und den Paradigmen von Wachstum, Fortschritt, Eindeutigkeit und Identität?
Ein Blick in die Geschichte macht deutlich, dass unsere gegenwärtigen Perspektiven auf Tod und Trauer, und der aktuell erlebte Umgang damit, nicht notwendig und zwingend so sind, wie sie sind: Es war schon einmal anders und es hätte auch anders werden können.
In aller Kürze wurden historische Positionen der westlichen Philosophiegeschichte beispielhaft beleuchtet, darunter die Griechische Antike (Epikur: „Der Tod betrifft uns überhaupt nicht; wenn wir da sind, ist der Tod nicht da; wenn der Tod da ist, sind wir nicht.“), das Mittelalter (ars moriendi – Einübung in die Vorbereitung auf das Sterben) und Philosophien der Neuzeit wie etwa Michel de Montaigne (Philosophieren als Sterben lernen).
Bemerkenswert ist, wie im 20. Jahrhundert (etwa mit Martin Buber und Emmanuel Levinas), das Du bzw. der Tod des anderen Menschen und damit die Verantwortung für den Anderen mehr in den Fokus kommen.
Gemeinsam werfen die Referierenden die Frage auf, ob durch die Schnelllebigkeit von Social Media der Raum für Trauer verhindert wird. Damit wurde das Gespräch vom Podium auf die Teilnehmer:innen des Workshops ausgedehnt. Persönliche Erfahrungen zum Thema wurden geteilt und auch das Fehlen von Personen, die das Festival re:publica wesentlich mit geprägt haben, erwähnt.
Mit Blick auf den Anschlag von Hanau wurden die Fragen gestellt: Welchen Platz erhalten Gedenken, Trauer und Erinnerung in der Öffentlichkeit, im kollektiven Gedächtnis und im Stadtbild? Wo müssen Hinterbliebene um Raum und Anerkennung kämpfen? Weiter ging es mit dem Thema der Gestaltung von Abschied im eigenen Umkreis und dem Blick auf andere Kulturen. Der Maxime „Du musst loslassen“ wurden damit auch Beispiele für einen integrativeren Umgang gegenübergestellt.
Im Schlusswort waren sich Referierende und Teilnehmer:innen einig: Das Thema um Tod und Trauer bleibt schwierig und es darf schwierig bleiben.
Zusätzlich gab es auf dem Gelände der re:publica eine Erinnerungswand, an der Karten mit Gedanken zu verstorbenen Menschen aufgehängt werden konnten.
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