Centre for Ethics and Responsibility (ZEV)

Katja Bender über Digitalisierung & Gesundheitssysteme

Thursday 10 February 2022

Die vierte Sitzung der Ringvorlesung des ZEV am 06. Dezember 2021 beleuchtete den Zusammenhang von Digitalisierung und einem möglichen verbesserten Zugang zu Gesundheitssystemen.

Prof. Dr. Katja Bender, Professorin für Volkwirtschaftslehre, insbesondere wirtschaftliche und soziale Entwicklung, sowie Mitglied im Direktorium des Internationalen Zentrums für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) und des Zentrums für Ethik und Verantwortung (ZEV), thematisierte in der vierten Sitzung der Ringvorlesungsreihe „Lasst uns reden… über Ethik und Nachhaltigkeit in der digitalen Welt“ den Zusammenhang von Digitalisierung und einem möglichen verbesserten Zugang zu Gesundheitssystemen, insbesondere in ärmeren Ländern des globalen Südens.

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Zuerst war es Katja Bender wichtig zu betonen, dass Gesundheit nicht nur Sache des/ der einzelnen ist, sondern Treiber für (wirtschaftliche) Entwicklung und Wohlstand. Nicht zuletzt daher sind Gesundheit und Wohlergehen ein wichtiges Ziel der 17 Sustainable Development Goals (SDGs). Ziel ist es, „ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und Wohlergehen fördern“. Insbesondere geht es auch um eine Verbesserung des Gesundheitszugangs für Frauen und Kinder, die Bekämpfung von Krankheiten und eine Gewährleistung des Zugangs zu Gesundheitssystemen. Zudem ist das gewährleisten des „höchsten erreichbaren Stands an körperlicher und geistiger Gesundheit“ ein Menschenrecht, das bereits 1966 beschlossen wurde.

 

Ein Indikator für Gesundheit kann die Lebenserwartung sein. Bender zeigte eindrücklich, wie das pro-Kopf-Einkommen und die Lebenserwartung korrelieren, so beträgt die Lebenserwartung in Lesotho, einem einkommensschwachen Land, gerade einmal 54,3 Jahre während sie in Japan 84,4 Jahre beträgt. Unterschieden werden können beim Zugang zu gesundheitlichen Leistungen die drei Teilaspekte,  physischer Zugang, finanzieller Zugang und sozio-kultureller Zugang, die in den Entwicklungs- und Schwellenländern jeweils unterschiedlich ausgeprägt sind und dementsprechend auch unterschiedlich von digitalisierten Angeboten profitieren können. So kann die Digitalisierung in der Leistungserbringung, im Management aber auch im Gesundheitswesen selbst, also zwischen Ärzt:innen, Versicherungen oder Pharmaunternehmen unterstützen. Die primären Zielgruppen sind dabei arme und verwundbare Bevölkerungsgruppen, wie bestimmte ethnische Gruppen oder Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung.

Zur Veranschaulichung der facettenreichen Nutzung stellte Katja Bender bestehende Projekte vorwiegende im afrikanischen Raum vor, die den physischen, finanziellen und sozio-kulturellen Zugang zu Gesundheit durch Digitalisierung verbessern und vereinfachen. Diese Technologien setzen vorwiegend Mobiltelefone und einen Zugang zu Internet voraus, wobei ersteres unter anderm darin begründet ist, dass das mobile Internet in vielen afrikanischen Ländern um ein vielfaches besser ausgebaut ist als festnetzbasierende Technolgien. So wird bei dem Projekt VaxTrac z.B. ein Biosensor verwendet und die Impfhistorie der Patient:innen auf dem Mobiltelefon gespeichert. Auch der finanzielle Zugang kann durch Digitalisierung enorm verbessert werden, so sinken unter anderem die Transportkosten und auch die IT-basierte Informations-, Registrierungs- und Leistungsabwicklung vereinfachen die Betreuung von Patient:innen. Nicht zuletzt kann auch der sozio-kulturelle Zugang durch die IT-gestützte Bereitstellung von Informationen, Beratung und Behandlung bei sensiblen Themen oder mit sozialem Stigma behafteten Krankheiten verbessert werden.

Auch die Spannungsfelder und Probleme, die bei einer zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitssektor auftreten können, wurden von Katja Bender thematisiert. Hierbei muss zum einen die unterschiedliche Verfügbarkeit von Mobiltelefonen und Internetzugang zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen Mann und Frau, bedacht werden. Zum anderen können die Stabilität der Energieversorgung, der zumeist fehlende oder nur begrenzt umgesetzte Datenschutz und „Digital colonialism“ neben den hohen Kosten und dem fehlenden technischen Wissen vor Ort zu Problemen führen. „Digital colonialism“ kann so verstanden werden, dass Akteure, wie die Vertreter des globalen Nordens, große Konzerne oder Wissenschaftler:innen, Daten aus diesen Ländern  entwenden, speichern und für ihre Zwecke nutzen.

Im Anschluss an den spannenden Vortrag gab es zahlreiche Fragen und Anmerkungen der Zuhörer:innen. In Bezug auf die letzten beiden Sitzungen mit Prof Dr. Alena Buyx (https://www.h-brs.de/de/news/alena-buyx-pandemie-als-digitalisierungschleuniger) und Prof. Ulrich Kelber (https://www.h-brs.de/de/news/ulrich-kelber-ueber-den-gemeinsamen-datenraum) war das Thema Datenschutz und inwiefern dieser eine Rolle spielt von Interesse. Auch fand ein Austausch über das Erreichen von bildungsfernen Schichten in ärmeren Ländern mit Hilfe von digitalen Medien statt. Dies sieht Katja Bender aber relativ optimistisch, da sich die Projekte speziell an sehr arme Bevölkerungsschichten richten und somit mit einfachen Technologien und einfacher Sprache arbeiten. Abschließend betonte Bender, dass die Digitalisierung auf keinen Fall die höchste Priorität und Relevanz im Gesundheitswesen hat, allerdings sei sie ein wichtiges Instrument zur Verbesserung des Managements und der Steuerung des Gesundheitssystems und auch in der Leistungserbringung habe die Digitalisierung großes Potential zur Verbesserung.

Die Ringvorlesung des ZEV ist Teil des hochschulweiten Projektes Campus to World, das von der Bund-Länder-Förderinitiative "Innovative Hochschule" gefördert wird.

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