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Generationswechsel bei der Gleichstellung

Friday 26 February 2021

Der Wechsel der Gleichstellungsbeauftragten an der Hochschule ist auch ein Generationswechsel. Annegret Schnell, die in den Ruhestand geht, wurde vor 40 Jahren durch die Frauenbewegung sozialisiert. Ihre Nachfolgerin, Dr. Barbara Hillen, hat eine andere Perspektive auf das Thema: Female Leadership und Female Empowerment sind ihre Aktionsfelder, Netzwerken ist ihr Instrument. Und doch sind sich beide einig in ihren Zielen: Sie wollten und wollen dafür sorgen, dass die Hochschule attraktiv für Frauen ist, und dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiterhin einen hohen Stellenwert einnimmt.

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Wer verstehen will, warum Annegret Schnell Gleichstellungsbeauftragte geworden ist, muss einige Jahrzehnte zurückgehen - in die alte Bundesrepublik, in der man zwar von Gleichberechtigung spricht, am Ende aber immer die Männer das Sagen haben. Bonn, Anfang der 80er Jahre: Die Studentin Annegret Schnell steht auf dem Marktplatz und verkauft die Bonner Frauenzeitung. "Was ich da für Kommentare und Sprüche zu hören bekommen habe - das war unmöglich", erzählt sie. Einmal meldet sie eine Demonstration an. Das ist in jener Zeit nicht bloß ein formaler Akt. Es ist unüblich, dass Frauen offensiv für ihre Rechte eintreten. "Man musste schon seinen ganzen Mut zusammennehmen", sagt Annegret Schnell. Die Erfahrungen aus der Bonner Frauenszene prägen sie.

Sie studiert Physik und arbeitet nebenbei als Krankenschwester - ein Job, den sie dem Studium letztlich vorzieht. Sie ist lange in der Bonner LVR-Klinik tätig, die damals noch "Rheinisches Landeskrankenhaus" heißt, kurz LKH. Annegret Schnell brennt für ihren Beruf in der psychiatrischen Klinik, sie engagiert sich. Doch als sie Mutter wird, bekommt sie Probleme. Der Schichtdienst lässt sich nicht mit dem Familienleben vereinbaren.

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Gründung der Hochschule "ein Riesenglück"

Etwa zur selben Zeit wird in Sankt Augustin und Rheinbach die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg gegründet, damals noch Fachhochschule Rhein-Sieg. "Das war ein Riesenglück für mich", sagt Annegret Schnell. 1998, mit 40 Jahren, entscheidet sie sich für ein Studium der Informatik. "Ich bin dort als Mutter von Anfang an akzeptiert worden." Die Hochschule nennt sich zu Beginn "frauengerecht", ein Begriff, der damals Aufbruch signalisiert und heute antiquiert wirkt. Dahinter steht das Bekenntnis zur Familienfreundlichkeit, das seit jeher fester Bestandteil des Selbstverständnisses der Hochschule ist. 

Als Annegret Schnell das Studium beendet, möchte sie an der Hochschule bleiben. Sie bekommt anfangs eine Vollzeitstelle und später eine Dreiviertelstelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Informatik. So hat sie Zeit, um sich um ihre Tochter zu kümmern.

Als Pragmatikerin geschätzt

2009 wird sie Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule, als Nachfolgerin von Prof. Dr. Brigitte Grass. An der Hochschule muss sie - anders als einst in Bonn - nicht gegen Windmühlen kämpfen, um Gleichstellungsthemen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Aber sie muss am Ball bleiben. Sie macht ihren Standpunkt deutlich, oft energisch und direkt - ob es nun um die Verwendung des generischen Maskulinums in Gutachten geht, um Stellenausschreibungen oder um Berufungsverfahren. Zugleich wird sie als Pragmatikerin geschätzt, der an einem guten Arbeitsklima gelegen ist. Nur selten muss sie von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen.

Personalangelegenheiten machen einen großen Teil ihrer Arbeit aus, außerdem ist sie beratendes Mitglied im Präsidium. "Diese Aufgabe hat mich gereizt, auch weil man Einfluss auf hochschulpolitische Themen hat", erzählt Annegret Schnell. Sie ist eine gefragte Ratgeberin, auch bei Themen, die nichts mit Gleichstellung zu tun haben. "Das ist der beste Job an der Hochschule. Ich habe vielen Menschen helfen können." Allein steht sie nicht da: Sie hat in der Gleichstellungsstelle drei Mitarbeiterinnen.

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Frauenförderung auf verschiedenen Ebenen

In Annegret Schnells Amtszeit fällt die mehrfache Zertifizierung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg als familiengerechte Hochschule. Zahlreiche Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben sich über die Jahre etabliert - nicht nur für junge Eltern, sondern auch für pflegende Angehörige. Mit der Beratungsstelle HELP steht eine vertrauensvolle Anlaufstelle zur Verfügung. Eltern-Kind-Arbeitszimmer und Ferienprogramme gehören ebenfalls zu den Standards. Mit Projekten wie "Komm, mach MINT" sollen Mädchen für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) begeistert werden, während das Programm "Professorinnen, wo seid Ihr?" mehr Frauen für Professuren gewinnen will. Außerdem vergibt die Gleichstellungsstelle Promotionsstipendien für Mitarbeiterinnen und Studentinnen.

Gerne, sagt Annegret Schnell, hätte sie sich noch verstärkt dem Thema "Gender Pay Gap" gewidmet, dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle zwischen Männern und Frauen. Doch dazu blieb am Ende keine Zeit mehr.

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Alte Rollenmuster im Poesiealbum

"Ich trete auf jeden Fall in große Fußstapfen", sagt Barbara Hillen, die seit 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Graduierteninstitut (GI) der Hochschule arbeitet. Als Annegret Schnell in den 80er Jahren auf dem Bonner Marktplatz die Frauenzeitung verkauft, geht sie in die Grundschule. Es ist die Zeit der Poesiealben. Manchen Eintrag lese sie heute mit Schaudern, berichtet Barbara Hillen. In Schönschrift sind dort alte Rollenmuster dokumentiert. Mädchen sind brav und lieb und haben sich unterzuordnen, so der Tenor. Formate wie den "Girl’s Day" gibt es noch lange nicht.

Barbara Hillen studiert nach ihrem Abitur Geschichte in Bonn und München, sie promoviert und macht sich als Biografin selbstständig. Sie gründet eine eigene Agentur, mit der sie sich auf Unternehmensgeschichte spezialisiert. Dass sie einmal Gleichstellungsbeauftragte werden würde, kommt ihr nicht in den Sinn. "Vor 20 Jahren habe ich damit einen bestimmten Typ Frau verbunden - das war ich einfach nicht", sagt die zweifache Mutter. Doch mit der Zeit sieht sie Entwicklungen in ihrer eigenen Generation, die sie zum Nachdenken bringen. "Frauen haben die gleichen Bildungsabschlüsse wie Männer, trotzdem spiegelt sich das nicht in Karriereverläufen wider."

Wie solle das auch funktionieren, wenn die Familie immer noch hauptsächlich der Job der Frau sei. Es scheitere oft an alltäglichen Fragen. So sei eine Sitzung, die um 16 Uhr angesetzt werde, alles andere als familiengerecht. Als Eltern könne man nicht teilnehmen, weil um diese Zeit Kinder Vorfahrt hätten. Aber noch viel zu oft gehe man davon aus, dass es wohl die Frauen sein müssen, die nachmittags beruflich zurückstecken.

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Komplexe Herausforderungen

"Frauen wollen mitspielen, aber sie wollen es nach eigenen Spielregeln tun", sagt Barbara Hillen. Deshalb sei es wichtig, dass Frauen die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt von Beginn an mitgestalten. "Wir haben es als Gesellschaft mit enormen sozioökonomischen, technologischen und demografischen Herausforderungen zu tun. Auf diesem Weg können wir auf gut ausgebildete Frauen nicht verzichten, wir müssen alle mitnehmen."

Gerade eine Hochschule für angewandte Wissenschaften biete Chancen, dieses Feld zu bearbeiten, nicht zuletzt, weil sie in die Gesellschaft hineinwirke. Barbara Hillen hat selbst schon an Genderprojekten an der Hochschule mitgewirkt. So zielte die "GI-Roadshow" darauf, mehr Doktorandinnen zu gewinnen. Frauen sichtbarer machen, ihre Karrieren fördern, sie für Führungspositionen zu ermutigen, beispielsweise durch Workshops und Coaching, aber auch durch zeitgemäße Plattformen wie Social Media - das sind für Barbara Hillen wichtige Ansätze, ebenso wie der Netzwerkgedanke. Denn: Eine Institution, in der Frauen gut vertreten und in verantwortungsvollen Positionen tätig sind, ist auch für andere Frauen interessant.

Geprägt ist Barbara Hillen durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit bei Soroptimist International (SI). Seit 2004 gehört sie der Organisation an, einem internationalen Netzwerk berufstätiger Frauen. Dort beschäftigt sie sich schon länger mit Themen wie Female Leadership und Female Empowerment. 2015 war sie Gründungspräsidentin des SI-Clubs Bonn, einer Gruppe von Frauen in Führungspositionen. Und auch sie hat in dieser Funktion schon häufig auf dem Bonner Marktplatz gestanden, um zum Beispiel auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.    

Perspektiven schaffen

Am Ende geht es sowohl der alten als auch der neuen Gleichstellungsbeauftragten darum, Frauen Perspektiven zu eröffnen und ihre gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen des Lebens zu verwirklichen. Das verbindet sie, ebenso wie ihre Bewunderung für Frauen, die unbeirrt ihren Weg gegangen sind. Wie sie selbst Gleichstellung definieren? Annegret Schnell: „Gleichstellung ist, dass allen unabhängig vom Geschlecht die gleichen Chancen ermöglicht werden und ihnen der gleiche Respekt entgegengebracht wird." Barbara Hillen: "Gleichstellung ist, jeder Person die Möglichkeit zu geben, ihre Ziele zu verfolgen, ohne dass sie durch die Meinung anderer daran gehindert wird."

Text: Dominik Pieper

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