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Eine deutsch-jordanische Freundschaft

Business Administration Studentin aus Rheinbach besucht Partnerstudentin in Amman
ICC_Jordanienprojekt_02.jpg (DE)

Wenn ich darüber nachdenke, dass ich mein bisher größtes Abenteuer dem Intercultural-Communication-Kurs zu verdanken habe, dann wird mir bewusst wie sehr Zufälle eigentlich unser Leben bestimmen.

Als ich im Oktober das erste Mal den ICC Kurs von Frau Roggenbuck besuchte, wurde uns erläutert, dass es ein „Jordan-Project“ geben würde, dessen Inhalt es sei, sich über social media mit einem/einer Partnerstudenten/Partnerstudentin aus Jordanien auszutauschen und so herauszufinden inwiefern sich unsere Kulturen ähneln oder unterscheiden. Das Projekt sprach mich - wenn ich ehrlich bin - nicht direkt an, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie man über Schriftverkehr eine Kultur beschreiben und verstehen sollte, denn meiner Meinung nach muss man erleben um zu verstehen.

Trotzdem machten mir die Vorbereitungen für das Projekt Spaß: Wir bekamen die Aufgabe ein kurzes Video über uns zu drehen, sodass unser Projektpartner sich im Voraus ein Bild machen konnte und umgekehrt und sollten uns Fragen überlegen, die wir stellen könnten.

Kurze Zeit später bekam jeder einen Partner zugeteilt, mit dem er via E-Mail Kontakt aufnehmen konnte. Meine Partnerin war Jenna, sie antwortete direkt auf meine E-Mail, wir tauschten unsere Nummern aus und waren von da an täglich in Kontakt.

Zu Beginn war ich etwas vorsichtig mit meinen Fragen, da ich sie nicht überfordern wollte und ich sie noch nicht gut genug kannte um einschätzen zu können inwieweit sie andere Meinungen akzeptiert und ob sie überhaupt Interesse daran hat sich mit mir über verschiedene Themen zu unterhalten, wie beispielsweise den Glauben an Gott oder Heirat.

Schnell zeigte sich jedoch, dass Jenna eine sehr offene Person ist, die niemanden wegen seinem Glauben oder seiner Meinung verurteilt, sei sie noch so verschieden von ihrer eigenen. Sie selbst ist sehr gläubig, trägt ein Kopftuch und richtet ihre Lebensweise nach dem Koran, ist aber gleichzeitig eine der weltoffensten Menschen, die ich meinem Leben getroffen habe. Ich mochte ihre Sicht der Dinge und versuchte alles was sie mir sagte zu verstehen und mich in sie hineinzuversetzen… und es fiel mir nicht so schwer wie ich anfangs gedacht hatte. Sie erklärte mir eine ganze Menge über das Heiraten in Jordanien und den Glauben an Gott und ich führte sogar eine Diskussion mit ihr ob es Gott überhaupt gibt. All diese Gespräche und vor allem die Ehrlichkeit und Neugier mit der wir uns austauschten, ermöglichten mir das Leben in Jordanien besser zu verstehen. Wir unterhielten uns oft darüber, dass es so aufregend wäre uns gegenseitig zu besuchen um zu sehen wie unterschiedlich unsere Gesellschaften eigentlich sind, denn das meiste lässt sich nicht in Worte fassen.

Kurz bevor unser Projekt enden sollte und ich meine Präsentation über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede unserer Kulturen vorbereiten musste, schrieb Jenna mir, dass ihr Vater ihr erlaubt habe nach Deutschland zu kommen um mich zu besuchen. Wir konnten es beide kaum fassen und es kam schneller als gedacht: eine Woche nach dieser Nachricht traf ich mich mit Jenna in Köln auf der Domplatte. Wir fielen uns zur Begrüßung in die Arme und ich hatte das Gefühl sie schon länger und besser zu kennen als nur durch dieses Projekt. Wir verbrachten einen tollen Tag in Köln in verschiedenen Museen, in Restaurants und am Rhein. Der Abschied fiel uns beiden schwer, aber Jenna versicherte mir, dass wir uns bald wieder sehen würden.

In den folgenden Wochen schrieben wir uns öfter und informierten uns über die Neuigkeiten in unserem Leben, über unseren Prüfungsstress und all die alltäglichen Dinge. Als ich in der Bibliothek saß und für meine Prüfungen lernte, bekam ich plötzlich eine Nachricht von Jenna, die mir mitteilte, dass sie im Februar Semesterferien habe und sich freuen würde wenn ich vorbeikommen könnte. Ich war so zuversichtlich, dass es klappen würde und voller Vorfreude, dass ich mich nicht mehr auf meinen Lernstoff konzentrieren konnte und nach Hause fuhr um alles zu planen. Ein paar Tage später fuhr ich mit meiner Mutter ins Reisebüro und buchte die Flüge: Von Frankfurt nach Amman, von Amman nach Dubai und von Dubai zurück nach Deutschland. Denn da ihr Vater in Dubai arbeitete, hatte Jenna mich zusätzlich eingeladen mit ihr dorthin zu fliegen.

Was ich in Jordanien erlebt habe fällt mir schwer in einem so kurzen Text zusammenzufassen, da ich auch jetzt nach meiner Rückkehr in Deutschland noch so sehr von all diesen Eindrücken und Erfahrungen geblendet bin, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

ICC_Jordanienprojekt_03.jpg (DE)

Erst einmal lässt sich aber sagen, dass ich großes Glück hatte in einer so tollen Familie gelandet zu sein, die sich jeden Tag bemüht hat den Tag noch schöner zu gestalten als es der vorherige schon war… und das 16 Tage lang und mit Erfolg. Es gab keinen Tag, an dem ich mich nicht zu Hause gefühlt habe und an dem ich keinen Spaß hatte. Wir haben sehr viele Dinge unternommen: Wir waren am Toten Meer, in Petra, in Wadi Rum und ich habe so ziemlich alles gegessen, was man dort an Spezialitäten essen kann. Amman ist eine unglaublich tolle Stadt und auch die Menschen, die mich umgeben haben, waren wundervoll. In Jordanien steht die Familie an oberster Stelle und jeder tut alles für den anderen. Ich habe mich während meines Aufenthaltes gefühlt wie ein Teil der Familie und dadurch, dass ich mitten drin war, habe ich die Menschen dort zu verstehen gelernt, vor allem ihren Glauben.

Ein Highlight meiner Reise war der Moment als Jenna und ich entschieden nach Palästina zu fahren. Diese Idee kam uns als wir abends, gemeinsam mit dem Vater, im Auto auf dem Rückweg waren und Jenna sagte: „Siehst du die roten Lichter, Stella? Das ist Palästina, mein Land.“. Man muss dazu sagen, dass Jennas Großeltern aus Palästina geflüchtet sind und sie deshalb palästinensische Wurzeln hat, aber noch nie dort war: „Ist es nicht unglaublich, dass ich aus meinem Fenster dieses Land sehen kann, aber es noch nie besucht habe?“ Darüber unterhielten wir uns sehr lange bis Jennas Vater vorschlug, dass wir doch einfach morgen hinfahren sollten. Jenna und ich guckten uns verwundert an und packten noch am gleichen Tag unsere Koffer. Ich fragte Jennas Großvater und alle anderen 10000 Mal, ob es nicht gefährlich sei dort hinzufahren, aber sie versicherten mir es könne nichts passieren, außer dass die Israelis uns den Zugang nach Palästina an der Grenze verweigern würden. Wir sollten dort bei einem Verwandten unterkommen, durften das an der Grenze aber nicht erzählen, sondern sollten sagen, dass wir ein Hotel gebucht hatten. Da uns jeder versicherte, dass es nicht gefährlich sei, fuhren wir am nächsten Morgen zur jordanischen Grenze und von dort aus mit einem Bus zur israelischen Grenze. Dort begann der Alptraum, den ich jetzt nur kurz zusammenfasse: wir warteten sechs Stunden lang an der Grenze, wurden jede halbe Stunde aufgerufen und in einem Raum mit Fragen durchlöchert bis wir selbst nicht mehr wussten was richtig oder falsch war. Was dort vor sich geht kann sich niemand vorstellen, der es nicht erlebt hat und es war die schlimmste Erfahrung in meinem Leben, aber trotzdem bin ich froh sie gemacht zu haben, weil ich eine Menge Eindrücke mitgenommen habe, die ich nicht vergessen werde und durch die ich die Welt ein bisschen besser verstehe. Einmal in Palästina angekommen, wurden wir von dem Verwandten abgeholt und gingen sofort schlafen, da wir am Ende unserer Kräfte waren. Am nächsten Tag fuhren wir nach Bethlehem und am darauffolgenden Tag nach Jerusalem. An beiden Tagen hatten wir das Glück, dass unser Gastgeber Journalist für den Sender „arte“ ist und somit die israelische Grenze ohne Probleme überqueren durfte, denn andere Besucher warteten bis zu acht Stunden.

Wir blieben insgesamt drei Tage in Palästina, ich habe mich dort intensiv mit verschiedenen Menschen ausgetauscht und alles in allem war es eine tolle Erfahrung dort gewesen zu sein. Doch am Tag der Rückkehr nach Amman war ich ziemlich erleichtert wieder dort zu sein, wo ich mich wohlfühlte, genauso wie Jenna.

Zwei Tage später musste ich mich von Jennas Familie verabschieden, was mir sehr schwer gefallen ist, weil sie für mich in dieser Zeit zu meiner Familie geworden waren und ich sie alle sehr in mein Herz geschlossen hatte. Ich war wirklich traurig Jordanien zu verlassen, freute mich aber gleichzeitig auf Dubai. In Dubai blieben Jenna und ich fünf Tage. Auch Dubai war eine tolle Reise, jedoch nicht so interessant, da es dort nicht viel zu sehen gibt und es sehr geprägt ist von den vielen Touristen.

Nach unserem Aufenthalt in Dubai hieß es aber dann auch Abschied von Jenna zu nehmen. Wir trennten uns am Flughafen, da wir beide zu unterschiedlichen Gates mussten. Ich verließ mein Abenteuer mit einem lachenden und einem weinenden Auge - ich war einerseits unglaublich traurig mich von ihr verabschieden zu müssen, auf der anderen Seite wusste ich, dass das nicht das letzte Mal war, dass wir uns sehen würden.

ICC_Jordanienprojekt_01.jpg (DE)

Durch meine Reise habe ich sehr viel über die arabische Welt gelernt und hatte die Chance vieles zu erleben und dadurch zu verstehen. Ich hätte niemals erwartet, dass sich aus unserem „Jordan-Project“ solch eine Freundschaft zwischen mir und Jenna entwickeln würde. Aus einem Partnerstudenten entwickelte sich für mich eine Freundin aus einer anderen Kultur, die ich in so kurzer Zeit sehr in mein Herz geschlossen habe. Auch wenn unsere Kulturen grundsätzlich verschieden sind, habe ich mich in Jordanien sehr wohl gefühlt und vermisse Amman. Ich kann nur jedem empfehlen, jetzt, wo ich aus Erfahrung sprechen kann, sich auf solche Projekte einzulassen, da sich einem viele Türen öffnen können. Ich bin unglaublich dankbar, diese Erfahrung gemacht zu haben und kann es kaum erwarten wieder nach Jordanien zu fliegen. Wahrscheinlich wird es sogar noch diesen Sommer sein, um an der Verlobungsfeier von Jennas bester Freundin teilnehmen zu können.

 

© Stella Schweda