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Hans Stender: Mann der ersten Stunde geht in Ruhestand
Hans Stender ist gebürtig in Norddeutschland, aber die Familie zog nach Duisburg, als er noch ein Teenager war. 1966 begann er eine Verwaltungsausbildung bei der Stadt - und er fiel offensichtlich auf. Denn schon 1970 gehörte er dem Planungsstab des Duisburger Oberstadtdirektors an, der unter anderem für die Koordination städtischer Dienstleistungen und Planungen zuständig war.
Er wurde der Experte für Aufbau- und Entwicklungsaufgaben, möglicherweise, weil er auch in schwierigen Situationen immer die Übersicht und den Blick für das Wesentliche behielt. Als 1972 die FH Duisburg und die Abteilung Duisburg der PH Ruhr zur Gesamthochschule Duisburg wurden, stellte die Stadt den erst 24-jährigen Regierungsinspektor mit vier weiteren Kollegen für Personalangelegenheiten und Organisation ab. Ob ihn der Arbeitsplatz Hochschule auf den Geschmack brachte?
Jedenfalls wechselte Stender 1974 ins Wissenschaftsministerium nach Düsseldorf, wo er eigentlich überall "reingeschaut" hat: Haushaltsangelegenheiten, Forschung, Grundsatzangelegenheiten, Hochschulen, Presse und zuletzt Referatsleiter im Ministerbüro. Nach der Wiedervereinigung suchte Stender eine neue Chance in den neuen Bundesländern: "Endlich wieder etwas aufbauen, das macht am meisten Spaß." Mit einer Abordnung half er ab Mai 1990 zunächst die Bezirksverwaltung in Frankfurt/Oder aufzubauen, und wurde mit der Gründung des Landes Brandenburg im Oktober desselben Jahren persönlicher Referent des damaligen Innenministers Alwin Ziel. Rückblickend sagt Stender, die Zeit in Brandenburg sei die schönste Zeit in seinem Berufsleben gewesen.
Gründung und Aufbau der Fachhochule Rhein-Sieg
Aber aufzubauen gab es auch an der neuen Fachhochschule Rhein-Sieg genug. Die offizielle Gründung datiert auf den 1. Januar 1995, Mitte des Monats fing die Arbeit mit der konstituierenden Sitzung des Planungsbeirates im Rathaus Sankt Augustin richtig an. Ihm gehörten zahlreiche Persönlichkeiten und Funktionsträger aus Bund, Land und Region an, denn die Hochschule war als Ausgleichsprojekt gedacht, sie sollte für die Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler der Motor für einen Strukturwandel sein, der durch den Bonn-Berlin-Umzug des Bundes notwendig geworden war.
"Zu dritt haben wir im 'Turm' gearbeitet: Professor Hubert Severin als Gründungsrektor, Frau Schulze-Olden als Sekretärin und ich als Kanzler. Es gab einen Küchentisch und ein geliehenes Laptop aus dem Wissenschaftsministerium NRW", erinnert sich Stender, "und auch GMD und Universitätsverwaltung haben uns gut unterstützt." Die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) ist heute das Fraunhofer-Institutszentrum in Schloss Birlinghoven und hatte in dem sogenannten Turm an der Raushausallee ihre Spin-offs untergebracht.
Das klingt nach aufregender Pionierarbeit, aber Stender betrachtet die Zeit durchaus kritisch: "Durch den Beginn des Studienbetriebes im selben Jahr mit zwei Studiengängen war die Aufbauphase zu kurz, um ein tragfähiges Konzept für die Profilbildung herauszuarbeiten." Das Wichtigste waren die großen Bauvorhaben sowohl in Sankt Augustin als auch in Rheinbach, der Personalaufbau, die Etablierung der Studienangebote und der Aufbau der Verwaltung. Obwohl zu viel gleichzeitig gemacht werden musste, sorgte man damals für Alleinstellungsmerkmale in der Hochschullandschaft. Eines war die naturwissenschaftliche Ausrichtung der Chemiker, denn andere Fachhochschulen bildeten ausschließlich Chemieingenieure aus und keine Diplom-Chemiker, außerdem der Studiengang Technikjournalismus sowie der überwiegend auf Englisch gelehrte Studiengang Biology.
Seine Verhandlungen mit dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG - heute Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, DGUB) zur Einrichtung des Studiengangs Sozialversicherung und zu den dafür notwendigen Umbaumaßnahmen der Akademie auf dem Steimelsberg in Hennef betrachtet der Hochschulkanzler als konstruktiv. Ebenso die offenen Gespräche mit dem Wissenschaftsministerium nicht zuletzt in Bauangelegenheiten. Und gebaut hat die Hochschule viel: nach dem ersten großen Gebäude an den Standorten Sankt Augustin und Rheinbach, jeweils noch Erweiterungsbauten. In der Planung ist ebenfalls hier wie dort je ein weiterer Neubau, deren Realisierung Stender nicht mehr als Kanzler verantworten wird. Aber er hat den Weg dafür geebnet und die Finanzierung ermöglicht.
Seine Zeit als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Fachhochschulkanzler in NRW in der Zeit von 2004 bis 2010 prägten insbesondere die intensiven Diskussionen über das Hochschulfreiheitsgesetz.
Über Erfolge "hinter der Türe freuen"
Die 18 Jahre als Kanzler der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sieht Stender sehr positiv: "An persönlicher Entwicklung hat die Arbeit hier viel gebracht. Gut war es, in politische Fragen nicht so eng eingebunden zu sein wie im Ministerium." Aber: "Durch die Arbeit im Ministerium kenne ich die Bewegungsspielräume dort und kann diese Spielräume ausnutzen." Wichtig war ihm dabei immer, dass keiner als Verlierer dasteht: "Über Erfolge darf man sich deshalb immer nur hinter der Türe freuen."
Gegen Schwierigkeiten und damit verbundenen Frust fährt Stender Fahrrad. Mit Eintritt in den Ruhestand braucht er das hoffentlich nicht mehr. Dann tritt er nur noch aus Spaß in die Pedale, zum Beispiel im Herbst bei seiner Tour mit Ehefrau Hildegard von Berlin zurück nach Siegburg. "Endlich raus aus der Struktur und Luft kriegen", sagt er und möchte weitere Pläne verwirklichen beziehungsweise bestehende Aktivitäten verstärken: Hans Stender ist ehrenamtlich in der evangelischen Kirchengemeinde Siegburg aktiv, dabei hilft ihm nicht zuletzt seine frühere Tätigkeit bei der Telefonseelsorge. Durch diese Arbeit hat er gelernt, mit Menschen umzugehen, ihnen zuzuhören und Probleme herauszuhören. Das war ihm sicher auch als Verwaltungschef nützlich.
Der zweifache, aktive Großvater wird noch als Geschäftsführer der Stiftung Bonn-Aachen International Center für Information Technology (B-IT) fungieren und Beratungsprojekte durchführen.
Eine Herausforderung, die die Hochschule in der Zukunft bewältigen muss, sei die problematische Altersstruktur. Sehr viele Beschäftigte würden fast gleichzeitig die Altersgrenze erreichen und mit ihrem Know-how aus dem Berufsleben ausscheiden. Darüber hinaus werde die Hochschule es schwer haben im Wettbewerb mit der Wirtschaft um qualifizierte Arbeitskräfte. Mit mehr weiblichen Arbeitskräften, die sehr gut ausgebildet sind und hier Beruf und Familie in Einklang bringen können, habe die Hochschule eine gute Chance.
Hans Stender sieht die Hochschule auf einem guten Weg, "sich weiter zu etablieren als eine der besten Fachhochschulen Deutschlands".
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[Archiv] Eva Tritschler
Ehemalige Pressesprecherin der Hochschule (bis November 2021), Chefredakteurin der Hochschulzeitung doppelpunkt:
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