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H-BRS aktuell: Zur Psychologie des Schenkens: „Mit Geschenken knüpfen wir ein soziales Netz“

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Donnerstag, 7. Dezember 2023

Schenken ist eine universale zwischenmenschliche Handlungsweise in allen Kulturen, sagt die Wirtschaftspsychologin Dr. Britta Krahn von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS). Schenken stärke unser gesellschaftliches Miteinander, vermittele Zugehörigkeit und festige Bindungen. Die Wissenschaftlerin kennt auch die Fallen, die beim Schenken vermieden werden sollten.
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Auf der Suche nach einem Geschenk: Auf die Achtsamkeit bei der Auswahl kommt es an. Foto: Colourbox

H-BRS: Im Weihnachtsgeschäft werden die Deutschen Prognosen zufolge dieses Jahr rund 120 Milliarden Euro im Einzelhandel ausgeben. Welche Bedeutung hat der Kaufpreis eines Geschenks – aus Sicht des Beschenkten und aus Sicht des Schenkenden?

Britta Krahn: Solche Umsatzinformationen unterstreichen zunächst einmal die große Bedeutung des Schenkens generell, ganz unabhängig vom jeweiligen Preis. Aus verschiedenen Untersuchungen wissen wir, dass ein teures Geschenk nicht besser bewertet wird als ein günstiges. Die Freude der Studienteilnehmer änderte sich nicht wesentlich. Es zählte hingegen, inwiefern auf die individuellen Interessen und Wünsche der oder des Beschenkten eingegangen wurde, also die Achtsamkeit bei der Auswahl des Geschenkes.
Ein sehr wertvolles Geschenk kann das fragile Gleichgewicht sozialer Beziehungen sogar empfindlich ins Wanken bringen und eine Schuld erzeugen, die der Beschenkte erst einmal abtragen muss. Dann werden Geschenke zu Machtmitteln, demonstrieren Prestige oder machen soziale Hierarchien sichtbar. Andererseits wissen wir aus neueren Untersuchungen, dass kleinere Gaben sehr gut dafür geeignet sind, unsere Beziehungen zu festigen und zu stärken. Das gelingt, wenn das Geschenk einerseits zu dem Beschenkten passt, aber andererseits auch etwas über den Schenkenden aussagt. Wichtiger als der Wert des Geschenkes ist also, dass die beschenkte Person sich wirklich darüber freut.

H-BRS: In der Vorweihnachtszeit boomt insbesondere der Verkauf von Spielwaren oder Büchern. Am häufigsten werden in Deutschland jedoch Gutscheine oder Geldpräsente verschenkt. Dabei haben Geldgeschenke doch einen eher schlechten Ruf, schwingt doch der Verdacht mit, der Schenker habe sich die Mühe einer individuellen Auswahl sparen wollen?

Krahn: Wichtig ist, dass das Geschenk Wertschätzung ausdrückt. Das kann durchaus ein umsichtig verpacktes Geldgeschenk oder ein Gutschein für einen lang gehegten Wunsch oder ein Buch sein, wenn das Geschenk zeigt, dass der oder die Schenkende sich mit der zu beschenkenden Person befasst hat. 
Darüber hinaus eröffnen Geldgeschenke und Gutscheine den Beschenkten Flexibilität und Freiheit, sich etwas auszusuchen, das sie wirklich mögen oder benötigen. Dies muss dem Schenkenden nicht unbedingt selbst gefallen – vielleicht ganz im Gegenteil. Schenken ist in diesem Sinne zuvorderst eine Investition von Zeit und Aufmerksamkeit. 

Schenken erfüllt eine zeitlose soziale Funktion

H-BRS: Ist Schenken denn überhaupt noch zeitgemäß? Jeder ist doch mit dem Gedanken vertraut, dass sich alles irgendwie lohnen muss.

Krahn: Ja, es mag häufig ein Motiv sein, eine Handlung oder ein Engagement als lohnenswert zu empfinden. Aber auf das Schenken trifft dies nur begrenzt zu, wenn wir die Gabe einer Person, die etwas von sich gibt, differenziert betrachten. Bei einem Blick in die Kulturgeschichte finden wir das Schenken als eine von wenigen universalen zwischenmenschlichen Handlungsweisen in allen Kulturen. Wir schenken etwas, um Beziehungen zu knüpfen, zu erhalten und zu vertiefen. Insofern stärkt Schenken unser gesellschaftliches Miteinander, vermittelt Zugehörigkeit und festigt Bindungen. So betrachtet, erfüllt das Schenken ganz zeitlos eine wichtige soziale Funktion. Mit Gaben und Gegengaben als Symbol und Manifestation für unsere Beziehungen knüpfen wir um uns herum ein Netz über die Zeit.

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Wirtschaftspsychologin Professorin Britta Krahn. Foto: H-BRS

H-BRS: Nun ist bei Weihnachten der Anlass für das Schenken per Kalender vorgegeben. Macht das einen Unterschied?

Krahn: Für das Schenken an sich und die Implikationen auf die beteiligten Personen macht das keinen Unterschied. Aber das Weihnachtsfest verleiht vielen Ritualen, die wir auch in anderen Zusammenhängen pflegen, noch einmal eine besondere Bedeutung und Tragweite. Ein gutes Essen lässt sich auch zu anderen Zeitpunkten oder Anlässen genießen und doch ist das Weihnachtsessen für viele Menschen etwas Besonderes. Ähnlich verhält es sich mit dem Geschenkritual, das an Weihnachten unter anderem durch christliche Botschaften von Versöhnung und Barmherzigkeit noch mehr Wirkung entfaltet als zu anderen Anlässen.
Aber auch die Werbung trägt ihren Teil dazu bei. Sie nutzt unser Bedürfnis nach Austausch und gemeinsamen Ritualen mit den Personen, die uns wichtig sind. Werbung zu Weihnachten betont und nutzt dieses emotionale Gemeinschaftserlebnis und eines der wichtigsten Symbole dafür ist das Geschenk. Die Botschaft ist ja relativ eindeutig: Viele Geschenke tragen zu der besonderen Stimmung und dem Gemeinschaftsgefühl an Weihnachten bei, das sich viele Menschen wünschen. Unterschwellig triggert die Werbung   hingegen die sozialen Normen, die von uns erwarten, dass wir uns dem Kreislauf von Geben und Nehmen nicht entziehen.

Geschenke nützen zunächst den Schenkenden

H-BRS: Ist Schenken nicht eigentlich eine Art Risikogeschäft? Schließlich weiß ich weder, wie mein Geschenk ankommt, noch kann ich sicher sein, ob ich etwas zurückbekomme. Und ist überhaupt mit dem Geschenk immer die Erwartung einer wie auch immer gearteten Gegenleistung verbunden?

Krahn: Sicherlich liegt darin eine Schwierigkeit, vielleicht sogar ein Paradox. Geschenke suggerieren eine freiwillige Eigentumsübertragung. Aus Sicht der Psychologie gibt es diese „reine Gabe“ aber nicht. Vielmehr ist mit der Gabe immer die Erwartung einer positiven Auswirkung verbunden, angefangen von einem guten Gefühl bis hin zu einer Gegengabe. Tatsächlich nützen Geschenke zunächst einmal den Schenkenden, indem sie ihnen das gute Gefühl geben, soziale Beziehungen zum Partner, zu Kindern, Freunden oder Kollegen zu festigen und sozusagen in „Vorleistung“ gegangen zu sein.
Ein Geschenk drückt Wertschätzung und Aufmerksamkeit gegenüber dem Beschenkten aus. Gleichzeitig zeigt der Schenkende aber auch seine schwache Seite, denn er riskiert die Gefahr der Ablehnung und des Undanks. Im BGB ist sogar festgelegt, dass Geschenke bei grobem Undank zurückgefordert werden dürfen. Ein interessanter Gedanke.

H-BRS: Gibt es ein Rezept für das ideale Geschenk? Kann uns die Wissenschaft dabei helfen?

Krahn: Nicht alle Geschenke erhalten die Freundschaft. Manchmal ist es gar nicht so leicht, da einen guten Weg zu finden. Empirisch haben sich ein paar „Fallen“ herausgestellt, die vermieden werden sollten. 
Zum einen sollte man pauschale Kategorisierungen vermeiden, die eigentlich Gleichgültigkeit ausdrücken: Pralinen für die Oma, Schnaps für den Mann, Blumen für die Frau und irgendein Plüschtier für das Kind. Es sei denn, die betreffende Person äußert einen konkreten Wunsch. Dann ist es ratsam, diesen Wunsch zu erfüllen und nicht nach eigenem Geschmack etwas anderes auszuwählen. Damit kommen wir zur zweiten Falle, der Projektion eigener Interessen, Ziele, Werte und Normen auf die andere Person, basierend auf der Anschauung: „Dir muss gefallen, was mir gefällt“. Oder „Ich weiß, was gut für dich ist“.
Und schließlich die Zeitnot: Sie birgt häufig die Gefahr einer falschen Geschenkewahl. Das spontane Zugreifen oder der Impulskauf können selten die individuelle Wertschätzung und Empathie ausdrücken, wie es ein mit Bedacht gewähltes Geschenk völlig unabhängig vom materiellen Wert vermögen würde.

 

Das Interview führte Martin Schulz

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Britta Krahn

Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Campus Rheinbach , Schwerpunkt Markt-, Finanz- und Sozialpsychologie

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Martin Schulz

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