Kommunikation und Marketing
"Es war eine Pionierzeit"
Angesprochen auf die Anfangszeit der Hochschule, kommen diese sogleich ins Schwelgen. Eine Aufbruchsstimmung habe geherrscht, verrückt und kreativ. Unisono berichten Reinhard Groth, Stefanie Drügg, Siegfried Kuhl und Franz W. Peren über den Beginn einer Erfolgsgeschichte vor 25 Jahren.
Die erste gemeinsame Wohnung
"In Sankt Augustin saßen wir anfangs im Turm in der sechsten Etage", erzählt Reinhard Groth, Dezernent für Facility Management, Bauen und Sicherheit. Mit einer Handvoll Kollegen und 30 Studierenden in Sankt Augustin war die Hochschule Untermieter der damaligen Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) im TechnoPark an der Rathausallee, von allen nur Turm genannt. Zuerst im obersten Stock, mit geliehenen Möbeln und ohne Computer. "Es war ein bisschen so, als würde man mit seiner Freundin in die erste gemeinsame Wohnung ziehen und hat noch nichts. Wo bekommt man das Bett und die Stühle her, welchen Schrank schafft man sich an", erinnert sich der erste damals berufene Wirtschaftsprofessor Franz W. Peren. Ohne wirkliches Budget saß man in den Büros auf Musterstühlen für künftige Seminarräume und an runden Holztischen aus dem Fundus der GMD.
Ein Sprung ins kalte Wasser
Die Rheinbacher Dependance der Hochschule - damals noch Fachhochschule Rhein-Sieg - hatte ihr Zuhause erst einmal in einer alten Villa im Stadtpark gefunden. Stefanie Drügg, eine der ersten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen am Campus Rheinbach empfand ihren ersten Tag wie einen Sprung ins kalte Wasser. "Wir hatten wirklich keine Ahnung, was auf uns zukam. Und es waren noch so viele Dinge zu erledigen, bis die ersten Studierenden kamen. Mit Gründungsdekanin Brigitte Grass waren wir zu dritt, haben die Ärmel hochgekrempelt und einfach gemacht." Groth ergänzt: "Natürlich waren die Aufgabenbereiche schon klar zugeteilt, aber alles, auch die Verwaltung, war ja im noch im Aufbau, und so hat eigentlich jeder alles gemacht."
Eine tolle Zeit sei es gewesen, damals 1995 und in den Aufbaujahren danach. Prägend sei die Aufbaustimmung gewesen, das bestätigen alle. Es gab einen "positiven Spirit" und der Spaßfunke sei trotz enormen Arbeitspensums auf alle übergesprungen. "Damit wir uns mit dem Campus Rheinbach vernetzen konnten, brauchten wir eine Richtfunkantenne. Ich stand selber mit Werkzeug auf dem Dach vom Turm und habe das Ding angeschraubt", erinnert sich Groth und schmunzelt. "Es ist toll, etwas ohne große Vorgaben aufbauen zu können."
Halbschlaf mit Silberblick
Angst, vor leeren Seminarräumen zu stehen, hatte niemand. "BWL war NC-Fach", erklärt Stefanie Drügg, "da war die Nachfrage nach einem Studienplatz so hoch, dass wir uns überhaupt keine Sorgen zu machen brauchten, den ersten Jahrgang mit künftigen Wirtschaftswissenschaftlern voll zu bekommen." Allerdings musste zum Start des Studienbetriebs die ein oder andere Probevorlesung gehalten werden, bei der die Belegschaft der Hochschule als Studierendenersatz in den Reihen saß. "Ich erinnere mich an eine Probevorlesung, bei der ein Professor als Student in der Reihe saß und während des Vortrags fast eingeschlafen wäre. Er war jedenfalls komplett abwesend mit 'Silberblick' und konnte auf die Frage des Professoren-Kandidaten nicht antworten." Eine Geschichte, die in der noch kleinen Fachhochschule schnell die Runde machte.
Halb und halb im Turm
Für die Studierenden, je 30 Wirtschaftsstudierende in Sankt Augustin und Rheinbach, war das allererste Semester im Winter 1995 ein Start ins Ungewisse. Siegfried Kuhl, Student der ersten Stunde: "Meine erste Vorlesung fand irgendwo in einem Seitentrakt im Turm statt. Das war schon komisch. Ich dachte: Ob das alles so richtig ist?" Eine Mensa im klassischen Sinne gab es anfangs auch nicht. Aber in Sankt Augustin konnte die GMD-Kantine im Turm genutzt werden. Siegfried Kuhl erinnert sich noch gut an das „echt rheinische Original“, das damals für das leibliche Wohl Sorge getragen hat. "Einmal stand ich am Tresen, als jemand eine Frikadelle halb und halb bestellte. Auf die Frage, was denn halb und halb sei, nahm die Dame vom Catering ein Messer, schnitt die Frikadelle in der Mitte durch und meinte 'links ist Schwein, rechts Rind'."
Kuhl schwärmt von einer ganz besonderen Studienzeit. Durch den damals noch kleinen Campus und die wenigen Studierenden kannte sofort jeder jeden. "Man hatte Bezug zueinander. Allerdings wusste auch jeder, was für eine Note man geschrieben hatte oder ob man gefehlt hat. Es blieb nichts verborgen." Siegfried Kuhl lacht und fügt hinzu: "Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Ich war keine Matrikelnummer, sondern wurde wertgeschätzt, es war so familiär."
Roter Teppich für die Erstsemester
Professor Franz W. Peren kann sich sehr gut erinnern. "Wir haben die Erstis regelrecht hofiert. Die durften alles. Wir haben wirklich alles dafür getan, keine negativen Schlagzeilen zu produzieren." Die Fachhochschule Rhein-Sieg musste ein Erfolg werden. "Das Land NRW war damals nicht so optimistisch, dass die kleine Truppe das auf die Reihe bekommt“, ergänzt Dezernent Groth. Und das galt wohl sowohl für die Verwaltung, als auch für die Lehre. Das hat natürlich noch mehr angespornt, und so wurden auch die ersten Studentinnen und Studenten stark in die Entwicklung der Hochschule eingebunden.
Kuhl: "Wir hatten damals sogar weit über das Maß Einfluss in der Findungskommission, auf den Werdegang von Dozenten, wurden immer wieder in Evaluationsprozesse eingebunden. Alle waren darauf bedacht, dass nicht zu viele Beschwerden kommen." Das sei den Fachbereichen später ein wenig auf die Füße gefallen, ordnet Peren die damalige Situation ein. "Die Studierenden, insbesondere des ersten Semesters an beiden Campus, haben wir regelrecht verzogen, denn sie durften quasi mitbestimmen. Das mussten wir später mühsam wieder auf das vorgeschriebene Maß hinunterfahren." "Das besondere Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden, dieses Familiäre hat sich aber gehalten", meint Siegfried Kuhl, der heute selber an der Hochschule lehrt. Zwar kenne sich heute nicht mehr jeder mit Namen, trotzdem sei der familiäre Charakter geblieben. Und das mache die Hochschule immer noch sehr besonders.
"Damals und heute stehen die Türen für unsere Studentinnen und Studenten immer offen. Das leben wir“, sagt Stefanie Drügg, die sich heute vorrangig um den Austausch mit ausländischen Partnerhochschulen kümmert. Auf all die Erfolge aus der Anfangszeit schaut sie mit Stolz zurück: "Ich habe eine Minibibliothek aufgebaut, denn irgendwoher mussten die Studierenden ja ihre ersten Bücher bekommen. Mein Bibliothekssystem hatte sogar noch viele Jahre Bestand."
Zum Erfolg verdammt
"Meine größte Herausforderung war, die Zehnjahresplanung des Bundes einzuhalten. Zum einen mussten wir dafür sorgen, dass zum Beispiel die Neubauten mit allen Laboren punktgenau zum Start der neuen Fachbereiche fertig sind, auf der anderen Seite durfte nicht mehr als nötig ausgegeben werden." Zum Glück, so Reinhard Groth als Hüter der Bauvorhaben, habe das Land die Hochschule relativ selbstständig arbeiten lassen, und die Zusammenarbeit mit dem damals noch zuständigen Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes verlief extrem gut. An den Erfolg der Fachhochschule Rhein-Sieg, die schon in den frühen 2000er Jahren das Ziel von 2.500 Studierenden erreichte, hatte Groth immer geglaubt, wenn auch nicht an diese Dynamik. Siegfried Kuhl will gar schon als Student gespürt haben, dass da etwas Großes gestartet sei. "Es musste einfach gut werden, wir waren fast schon zum Erfolg verdammt, für die Hochschule und die ganze Region", zumal die Aufteilung auf zwei Standorte recht kontrovers diskutiert wurde.
Öfter mal über den Tellerand gucken
Dass die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg tatsächlich ein voller Erfolg geworden ist, sehen alle vier so. In den vergangenen 25 Jahren an der Hochschule haben sie sich verändert, sind reifer und gelassener geworden. Aber auch die Hochschule hat sich verändert. Durch den großen Zuwachs bei Beschäftigten und Studierenden sei ein größeres Bereichsdenken zu beobachten. "Für die Zukunft würde ich der Hochschule wieder ein stärkeres Miteinander wünschen. Es täte uns gut, wieder ein wenig mehr über den Tellerrand zu schauen", sagt Stefanie Drügg. Das sei in den vergangenen Jahren verloren gegangen. „Es fehlt manchmal der Blick auf das Ganze. Und ich würde mir wünschen, dass wir alle etwas mehr den anderen und seine Aufgaben sehen“, bekräftigt Reinhard Groth. Er wird im März 2021 in den Ruhestand gehen. Guten Gewissens, wie er sagt. Er würde alles noch einmal genauso machen. Der Weg, den die Hochschule in den vergangenen 25 Jahren gegangen ist, sei der richtige gewesen. "Wenn es so weiter geht wie bisher, sind wir doch gut für die nächsten 25 Jahre aufgestellt", sagt der ehemalige Student und jetzt Lehrbeauftragte Kuhl.
Text: Esther Hummel, Redaktion: Juri Küstenmacher
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