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Kommunikation und Marketing

Daniel Stuch | Business Administration

Daniel Stuch hat mit 33 Jahren schon eine beeindruckende Karriere hingelegt. Binnen weniger Jahre brachte er es zum Senior Manager bei Bosch, einem führenden Zulieferer von Autoteilen. Erreicht hat er das, weil er die Chancen, die sich boten, beim Schopfe packte. Und indem er seine Bequemlichkeit überwand: Denn begonnen hatte er mit einem gemütlichen Job als Bademeister.
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Wer von Daniel Stuch eine Email bekommt, wundert sich erst einmal: „Daniel Stuch, ED/MFC-BPS“ heißt es da als Absender. Was die kryptischen Kürzel wohl bedeuten mögen? Wie sich herausstellt, stehen sie als Symbol für den steilen Aufstieg eines jungen Mannes, der im Alter von 17 mehr oder weniger von heute auf morgen durchstartete wie kaum ein anderer: von einem wohlbeleibten, etwas lernfaulen Auszubildenden als Fachangestellter für Bäderbetriebe zu einem sportlichen, ehrgeizigen und eloquenten Senior Manager der Abteilung für elektrische Antriebe bei einem der wichtigsten Autozulieferer der Welt. Inklusive sechs Jahre Auslandserfahrung in China und einem Abschluss in „Business Administration“ an der H-BRS.

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Internationale Erfahrung wurde Stuch quasi schon in die Wiege gelegt. Als er sechs Jahre alt war, ging seine Familie in die USA. „Mein Vater arbeitete für die ehemalige Forschungsgesellschaft für angewandte Naturwissenschaften am Radom in der Nähe von Bonn“, erklärt Stuch. Dort werden neue Technologien zur Erkennung, Aufklärung und Abwehr von militärischen Gefahren entwickelt. Und mein Vater sollte nun eine Aufgabe in den USA erfüllen. Fünf Jahre sind wir dort geblieben.“

Es war eine Zeit, die Stuch sehr prägte. In Windeseile hatten sein zwei Jahre älterer Bruder und er Englisch gelernt; Vater, Bruder und er sprachen zu Hause fortan nur noch englisch. „Was ich außerdem toll fand, war der community spirit.“ Die Familie wohnte in Greenville östlich von Dallas im Bundesstaat Texas. „Texas ist quasi das Bayern der Vereinigten Staaten. Dort wird die Gemeinschaft sehr hoch gehalten. Die Familien im Ort helfen einander, man passt aufeinander auf, macht Babysitting, hält gemeinsam die Straßen sauber, feiert gemeinsame Feste – solche Sachen. Wir wuchsen wohlbehütet auf, es war eine sehr glückliche Kindheit.“

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Die Rückkehr nach Deutschland fiel entsprechend schwer. Auch wenn Bonn nicht gerade der Sündenpfuhl Deutschlands ist, hatten die Brüder es zunächst nicht leicht sich einzugewöhnen. „Mein Bruder wurde einmal an der Bushaltestelle verprügelt, an meinem Gymnasium gab es Banden, die einem das Taschengeld abknöpften und so weiter.“ Außerdem hatte Daniel Stuch mehrere Kilo Übergewicht aus den USA mitgebracht, das Fast Food hatte ihm sehr geschmeckt. „Das setzte sich in Deutschland fort.“

Schon mit 15 wechselte Stuch vom Gymnasium auf die Realschule. „Ich war nicht besonders gut in der Schule, meine Klassenlehrerin sagte immer, ich sei zwar intelligent, aber faul. Vielleicht spielten auch die widrigen Umstände in Deutschland eine Rolle.“

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Stuch wählte jedenfalls den einfacheren, kürzeren Weg der Mittleren Reife. „Auf der Realschule kam ich besser klar, die Lehrer waren zugänglicher, die Atmosphäre insgesamt menschlicher. Mit 16 dann wollte er eine Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe bei der Stadt Bonn machen. „Ich dachte, dass man da sicher nicht so viel lernen muss.“ Darauf gekommen war er auch, weil er die Sommer fast jeden Tag im Freibad verbrachte. Turmspringen hatte es ihm besonders angetan: „Ich drehte Salti und Schrauben, aber wirklich legendenbildend waren meine Arschbomben – die spritzten bei zweieinhalb Zentnern Gewicht natürlich besonders hoch. Oft kombinierte ich das sogar – quasi Arschbomben mit attitude, also mit Stil.“ Stuch fallen noch heute manche englischen Worte schneller ein als die deutschen – in seiner Familie wird nach wie vor Englisch gesprochen.

Was den Anspruch der Ausbildung anging, sollte Stuch Recht behalten. Die Prüfungen bestand er mit links. Allerdings auch deshalb, weil er während der Lehre sein Leben komplett umkrempelte: „Schon zu Beginn hatte man mir gesagt, dass ich mit dieser Statur Probleme bekommen würde, die Prüfungen zu bestehen. Außerdem musste ich schon während der Ausbildung Verantwortung übernehmen bei der Aufsicht im Bad. Zudem wollte ich wie mein Vater und mein Bruder der Feuerwehr beitreten, wo Übergewicht natürlich auch nicht gerade von Vorteil ist. Und ich wollte mit 18 meinen Führerschein in der Tasche haben.“ Mit anderen Worten: Es gab viele Gründe, sich auf die Hinterbeine zu stellen, körperlich und intellektuell. Vor allem waren dies Herausforderungen, die Stuch sich selbst gesucht hatte: „Keiner hat mir diktiert, ich müsse das machen.“

Als ein guter Freund Zweifel anmeldete, dass er dies alles schaffen würde, machte es Klick in Stuchs Kopf. 30 Kilogramm nahm er im folgenden halben Jahr ab, er schaffte den Führerschein, die Aufnahmeprüfung bei der Feuerwehr, und in der Ausbildung machte er sich so gut, dass er nach dem Abschluss gleich als Schichtleiter eingesetzt wurde. „Mit gerade mal 20 Jahren in der Verantwortung für ein ganzes Freibad mit Tausenden Gästen zu stehen und ein Team von 15 Mitarbeitern zu koordinieren, spornte mich unheimlich an. Daran bin ich enorm gewachsen, zumal ich sehr gern in engem Kontakt mit Menschen arbeite. Darum habe ich nebenher an Wochenenden auch noch als Barkeeper gearbeitet.“ Mit 23 schob Stuch berufsbegleitend sogar den Meisterbrief hinterher – den er in der praktischen Prüfung als Jahrgangsbester abschloss. Der Knoten war geplatzt: Er hatte Gefallen daran gefunden, etwas gut zu machen und dazuzulernen.

Aber ihm wurde auch klar: „Den Rest meines Lebens würde mich ein Job als Bademeister in Bonn nicht erfüllen. Zwar wird dieses Berufsbild zu Unrecht belächelt, aber ein Rocket Scientist ist man eben auch nicht.“ Zumal sich in Stuch allmählich ein tiefes Bedürfnis Bahn brach. Er wollte mal wieder ins Ausland, am liebsten zurück in die USA. Seine Idee: Bademeister in einem dieser riesigen Wasser-Spaßbäder in Amerika. „Ich wollte einmal ganz auf mich allein gestellt sein und wieder regelmäßig Englisch sprechen. Allerdings – wie häufiger in meinem Leben –  sollte es anders kommen als gedacht.“

In seiner Meisterklasse erzählte ihm ein Mitschüler, mit dem Meisterbrief in der Tasche und ein paar Jahren Berufserfahrung könne man auch ohne Abitur studieren. Stuch recherchierte und stieß auf den Studiengang Business Administration an der H-BRS, der bilingual, also zur Hälfte in Englisch abgehalten wird. Vielleicht doch besser in die Wirtschaft gehen statt an den Beckenrand? Nach einigen Jahren als Schichtleiter im Schwimmbad entschied sich Stuch, doch noch zu studieren. Als Bademeister und Barkeeper verdiente er fortan nur nebenher etwas Geld, hauptsächlich widmete er sich nun tatsächlich wieder dem Lernen.

Und erneut mit Erfolg: „Ich war als Student zwar nicht herausragend, aber eine gute zwei bekam ich hin, weil ich mich echt anstrengte.“ Bei den Fächern mit komplizierter Mathematik habe er mangels Abitur wirklich büffeln müssen. Dafür aber bei der Zusammenarbeit mit Kommilitonen in Lerngruppen oder bei Wirtschaftssimulationen oder Projektmanagement einen großen Vorsprung gehabt: „Die Arbeitserfahrung in leitender Position hatte mir einfach eine gewisse Souveränität und Strukturiertheit verliehen, die den meisten anderen noch fehlte.“

Besonders gefiel Stuch die persönliche Atmosphäre an der H-BRS; die große Nähe zu Kommilitonen und Professoren erinnerte ihn an die Geborgenheit, die er einst in den USA empfand. Eins seiner Schwerpunktfächer war - wenig überraschend - International Management. Und dort sollte Stuch den Professor kennenlernen, der seine weitere Karriere anstieß: „Prof. Bode förderte und forderte mich.“ Offenbar so gut, dass Stuch auch im Fach International Management mit Bestnote 1,0 abschloss. Als das Praxissemester anstand, verriet er seinem Professor den Plan, sechs Monate zurück in die USA zu gehen, am besten nach Texas, in die alte Heimat. Doch Bode riet ihm ab, erinnert sich Stuch: „Er sagte: 'Ganz ehrlich: Die USA im Lebenslauf sind heutzutage nichts besonderes mehr – zumal Sie dort ja schon waren. Suchen Sie lieber das Abenteuer, davon werden Sie nicht nur beruflich, sondern auch persönlich profitieren!'“

Bode selbst hatte mit seiner Familie vier Jahre in China verbracht, hatte Kontakte zu mehreren Firmen. „Er erklärte mir, dass viele deutsche Unternehmen dort heute Zweigstellen unterhielten, für die sie dringend Leute suchen“, so Stuch. „Der Keim, den Prof. Bode damit in meinen Kopf setzte, fiel auf fruchtbaren Boden. Das Neue reizte mich, und ich entschied mich für ein Praxissemester in einem Bosch-Werk in der chinesischen Stadt Changsha, wo  elektrische Antriebe für die Autoindustrie produziert werden.“

Changsha hat zwar sieben Millionen Einwohner, ist aber dennoch chinesische Provinz. Bedeutet: Dort spricht außerhalb der Firma kaum jemand Englisch, geschweige denn deutsch, als Ausländer ist man absoluter Exot, alles geht sehr 'chinesisch' zu – auch das Essen. Dennoch: Stuch gefiel das Semester ausgesprochen gut. Er durfte bei der Koordination eines Projekts mithelfen, bei dem er quasi die Schnittstelle zwischen einem IT-Projektteam und der Werksorganisation darstellte. Er koordinierte die Gespräche unter den Verantwortlichen, kümmerte sich mit um Controlling und Finanzen.

Dabei machte er seine Sache so gut, dass der Chef ihn länger da behalten wollte. In Absprache mit der H-BRS verlängerte Stuch um ein halbes Jahr und erhielt dafür schon eine befristete Anstellung mit einem ersten, wenn auch bescheidenen Gehalt. Derweil lernte er Chinesisch und die Kultur ein wenig kennen. „Auch in China begeisterte mich die große Herzlichkeit der Menschen. Sie waren hellauf begeistert, wenn man ein paar Takte sprechen konnte oder sich mit ihnen fotografieren ließ. Sie luden einen nach Hause zum Essen ein, machten einem zum Geburtstag Geschenke. Man genoss als Ausländer absoluten Sonderstatus – und fühlte sich dabei jederzeit sicher.“

Dann aber stand endlich die Bachelorarbeit an, Ende 2010 ging es zurück nach Deutschland. Dazu hatte Stuch bereits Kontakte zu Bosch Deutschland geknüpft, um dort seine Arbeit zu schreiben: über die Implementierung von RFID-Chips in Produktion und Logistik. RFID-Chips sind quasi Mini-Radiotransponder, die man an einem Produkt anbringt, um sie wie bei einem Barcode jederzeit aus der Entfernung identifizieren und lokalisieren zu können.

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Stuch wollte danach eigentlich bei Bosch im süddeutschen Bühl bleiben, um dort zu arbeiten, doch wieder einmal kam es anders: „Das Werk aus Changsha rief an, man könne mich für ein Projekt als Leiter brauchen.“ In der Zwischenzeit hatte Stuch zwar mit seinem Bruder ein Haus bei Bonn gebaut, in dem er wohnen wollte. Doch einen Projektleiterjob gleich zum Einstieg in die neue Karriere wollte er nicht ausschlagen, zumal er das Werk und die Umgebung in Changsha ja schon kannte und sich in Deutschland noch nicht wiedereingelebt hatte. Seine Haushälfte vermietete er und ging für ein weiteres Jahr nach China.

Es wurden eineinhalb Jahre daraus, in denen Stuch die Produktionslinien für den Bau von Fensterhebern, Wischeranlagen und anderen Kleinmotoren innerhalb des Werks verlagerte, was logistisch natürlich hoch anspruchsvoll war und die Verwaltung eines Budgets von über einer Millionen Euro erforderte.

Gegen Ende des Projekts kamen Anfragen von Bosch Deutschland, wann er denn zurückkehre, es gäbe mehrere Joboptionen. „Ich führte ein offenes Gespräch mit meinem Chef in Changsha, mit dem ich ein super Verhältnis hatte. Und dann machte er mir ein weiteres Angebot, das ich einfach nicht ablehnen konnte: Ich sollte auf zwei oder drei Jahre befristet die Leitung einer Abteilung übernehmen – inklusive Personalverantwortung und einem entsprechenden, sehr ordentlichen Gehalt. Unter der Prämisse, dass ich danach definitiv zurückkehren würde, nahm ich an.“

Nebenher bildete Stuch sich weiter, machte unter anderem seinen Master of Business Administration (MBA) in Hongkong. „Dafür bin ich an den Wochenenden immer 800 Kilometer hin und zurückgeflogen. Das war stressig, ich hatte quasi einen 80-Stunden-Job. Aber es machte riesigen Spaß, weil ich dabei auch viele Freunde gewann, mit denen ich zum Wandern, Bergsteigen oder Tauchen ging und zu denen ich heute noch Kontakt habe.“

So kam es, dass Daniel Stuch erst vergangenes Jahr – nach sechs Jahren China – in seine Heimat zurückkehrte – als gestandener Manager. Seit August 2015 arbeitet er in der Zentrale des Geschäftsbereiches Electrical Drives in Bühlertal, wo die Fertigung weltweit koordiniert wird. Das Kürzel in seiner Email bedeutet „Electrical Drives/Manufacturing Coordination – Bosch Production Systems“. Seine Abteilung ist für die Koordination der Produktion von elektrischen Antrieben bei Bosch zuständig. Stuch kümmert sich vor allem um Produktion und Standortentwicklung von Werken in Nord- und Südamerika, und er bearbeitet Sonderthemen für den Bereichsvorstand. Ein lukrativer Job, für den ihn seine Zeit in China qualifiziert hat. „Die sechs Jahre dort waren mit die beste Zeit meines Lebens. Aber bleiben wollte ich nicht. Dazu bin ich zu heimatverbunden, und die Luft in chinesischen Städten ist auf Dauer auch nicht zu empfehlen. Außerdem wollte ich endlich mal wieder verstehen, welche Medikamente ich da in der Apotheke eigentlich genau kaufe“, lacht Stuch.

Auch bei der Feuerwehr legt er jetzt immer mal wieder eine Schicht ein, wenn er wochenends in Bonn ist. Einmal habe er mit den Kollegen eine alte Frau aus einem brennenden Haus gerettet und auf der Trage zum Krankenwagen gebracht. Sie klammerte sich an Stuchs Arm, später im Krankenhaus ist sie ihren schweren Verbrennungen erlegen. „Das sind natürlich Grenzerfahrungen, die einen lehren, das Leben zu schätzen“, sagt Stuch.

Überhaupt: Seine Erlebnisse in China, wo er natürlich auch ärmste Verhältnisse hautnah miterlebte, die Verantwortung als Bademeister, dazu das Gehen an persönliche Grenzen beim Bergwandern, Tauchen, zwischenzeitlich auch beim Triathlon – Stuchs reichhaltige Erfahrungen haben ihn zu einem extrem ausgeglichenen Menschen werden lassen. „Ich habe viel Erfolg gehabt im Leben, habe einen Top-Job, weiß das aber auch sehr zu schätzen.“

Daniel Stuch hat sich seinen Erfolg durch eine Wendung, die er seinem Leben gab, viel Fleiß und Risikobereitschaft erarbeitet. „Jetzt genieße ich das aber auch einfach mal.“ Und er scheut sich nicht, anderen von diesem spannenden Lebensweg zu erzählen – so auch bei der internationalen Alumni-Tagung an der H-BRS, an der er im September 2015 teilnahm. Kein Zweifel: Der Aufstieg vom fülligen Jung-Bademeister zum smarten Manager und Sport-Enthusiasten kann sicher auch andere inspirieren.

Wir haben Daniel Stuch um ein kurzes Videostatement über seine Erfahrungen an unserer Hochschule gebeten, das im Youtube-Kanal der Hochschule anzuschauen ist.

Text: Jan Berndorff

Der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift "natur" ist wieder zurück im Rheinland und arbeitet freiberuflich als Wissenschaftsjournalist. Im Wintersemester 2015/2016 hat er als Lehrbeauftragter  an der H-BRS jungen Technikjournalismus-Studierenden das Porträt-Schreiben beigebracht.