Fachbereich Sozialpolitik und Soziale Sicherung
Zweiter Tag der Teilhabe: Wie gelingt trägerübergreifendes Reha-Fallmanagement?
Begrüßt wurden die über 100 Teilnehmenden zunächst von Prof. Dr. Susanne Peters-Lange (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg), Prof. Dr. Anne Müller-Osten (Hochschule der Bundesagentur für Arbeit), Dr. Iris Rauskala (Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg), und Prof. Dr. Helga Seel (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation):
„Gegenseitiges Kennenlernen, Hemmschwellen abbauen, aufeinander zugehen und die Perspektiven der anderen verstehen sind Ziele dieses Tags.”
Prof. Dr. Susanne Peters-Lange, Dekanin des Fachbereichs Sozialpolitik und Soziale Sicherung, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
„Es ist ein bisschen verrückt was hier heute gelingt: Nämlich eine trägerübergreifende Zusammenarbeit. Damit tun sich die Sozialversicherungsträger sonst immer schwer.”
Prof. Dr. Anne Müller-Osten, Prof. Dr. Müller-Osten, Prorektorin für Lehre, Weiterbildung und Digitalisierung, Hochschule der Bundesagentur für Arbeit
„Wir haben heute ein spannendes Programm, an dem viele Akteure aus verschiedenen Bereichen beteiligt waren. Das ist ein Erfolg, an dem wir heute mit Ihnen anknüpfen.”
Dr. Iris Rauskala, Rektorin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg
„Teilhabe, das ist keine Leistung, sondern ein Ziel, dem wir uns alle verpflichtet sehen sollten.”
Prof. Dr. Helga Seel, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation
„Es war mir immer ein Anliegen, Forschung und Austausch im Bereich der Teilhabe aufzubauen und voranzubringen, Zusammenarbeit zwischen Trägern und ihren Partnern zu stärken und die Vernetzung aller Akteure zu forcieren. Beim zweiten Tag der Teilhabe kommen heute alle diese Aspekte im Rahmen einer Veranstaltung zusammen.”
Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Durch den Tag führten die Moderatoren Prof. Dr. Edwin Toepler und Vincenzo Cusumano von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Das Programm für den Tag stellten Prof. Dr. Christian Rexrodt (H-BRS), Prof. Dr. Silvia Keller (HdBA) und Dana Dannenberg (Alumna an der H-BRS) vor.
Das Reha-Fallmanagement aus Sicht der einzelnen Sozialversicherungsträger
Thematisch gliederte sich der Tag in drei Blöcke. Im ersten Block wurde das Reha-Fallmanagement aus Sicht der einzelnen Sozialversicherungsträger dargestellt. Dazu gab es Vorträge von Jens Nitschke (Leiter des Fachbereichs Rehabilitation der Bundesagentur für Arbeit), Carsten Koops (Geschäftsführer Braunschweigischer Gemeinde-Unfallversicherungsverband), Nadine Vorsatz (Deutsche Rentenversicherung Bund) und Fabian Hohmann (R+V Betriebskasse). Die erkenntnisreichen Vorträge boten den Teilnehmenden somit Einblicke die Verfahrensweisen des Rehabilitations- und Fallmanagements der Bundesagentur für Arbeit sowie der Unfall-, Renten- und Krankenversicherung.
Fallbeispiel „Anna Sträuchel“ in Break-Out-Sessions
Nach einer kurzen Pause wurden die in den Vorträgen erzielten Erkenntnisse in einem praktischen Beispiel vertieft. Dazu diente ein von Studierenden der H-BRS entworfener, fiktiver Fall einer Person – Anna Sträuchel. Die 33-jährige Mutter eines Kindes stürzte demnach nach Feierabend mit ihrem E-Bike auf die Straße und wurde anschließend von einem Pkw erwischt. Infolge der Verletzungen droht ihr nun der Verlust ihrer Erwerbsfähigkeit.
Fishbowl-Diskussion und Ergebnisse des Tags
Die Studierenden hatten anschließend die Aufgabe, den dargestellten Fall in trägerübergreifenden Breakout-Sessions zu diskutieren. Entlang der Leitfragen „Was charakterisiert das Reha- und Fallmanagement der einzelnen Träger?“ und „Was sind die Herausforderungen für eine nahtlose Bearbeitung des Falles?“ besprachen die Studierenden in einer zugeteilten Gruppe mit je einem Reha-Berater/Fallmanager und einem Alumna/Studierenden das Fallmanagement. Die Teilnehmenden gewannen durch den trägerübergreifenden Austausch zwischen Studierenden und Expertinnen und Experten neue Perspektiven und lernten, wie die anderen Sozialversicherungsträger einen solchen Fall bearbeiten.
In der anschließenden Fishbowl-Diskussion wurden die Ergebnisse des Tags festgehalten. Für die Rentenversicherung gilt, dass zunächst der Versicherte aktiv auf die Rentenversicherung zugehen muss, damit ein Austausch zwischen Versichertem und Fallmanager stattfinden kann. Bei Eintritt in die Versicherung bedarf es bestimmter Versicherungsvoraussetzungen – danach gibt es eine Reihe von Fristen und Pflichten, die der Versicherte erfüllen muss. Obwohl die regionalen Träger durchaus unterschiedliche Ansätze aufweisen, wird in einem regelmäßigen Austausch zwischen Versichertem und Versicherung die gesamte Umwelt des Versicherten für die weitere Versorgung betrachtet.
Für den Bereich der Unfallversicherung wurde deutlich, dass der Träger unmittelbar nach dem Unfall aktiv wird. Die wichtigsten zu lösenden Fragen sind daher: Handelt es sich beim vorliegenden Fall um einen Arbeitsunfall oder nicht? Wie fällt das Verletztenartenverfahren aus? Welche Rehabilitationsmöglichkeiten sind am besten geeignet, um der Person zu helfen und ihr eine möglichst schnelle Rückkehr in ihr gesellschaftliches und berufliches Leben zu ermöglichen? Mit Beginn des
(Arbeits-)Unfalls startet daher eine ganzheitliche Planung der Rehabilitation, um Leistungen zur Teilhabe am sozialen Leben und am Arbeitsplatz zu ermöglichen.
Die Bundesagentur für Arbeit wird hingegen erst aktiv, wenn die Rentenversicherung den Fall an sie weiterleitet. Danach wird die Person zum Beratungsgespräch eingeladen, um das Gutachten und dessen Ablauf zu erklären. Auf dessen Grundlage entscheidet der Reha-Fallmanager, ob es sich um einen Reha-Fall handelt. Das weitere Reha-Verfahren wird dann mit der betroffenen Person nach dem Grundsatz besprochen: So allgemein wie möglich, so speziell wie nötig.
In der daran anschließenden Diskussion war es für alle Teilnehmenden möglich, ihre Sicht auf Schwierigkeiten und Möglichkeiten zur Verbesserung trägerübergreifender Zusammenarbeit zu teilen. Für die Studierenden wurde ersichtlich, dass die Fokussierung auf den eigenen Sozialversicherungsträger im Studium dazu führt, dass das Systemverständnis und die Perspektiven anderer Träger vernachlässigt werden. Daher braucht es mehr trägerübergreifende Formate wie den Tag der Teilhabe und Projekttage zum Wissenstransfer und Netzwerken, um den Grundstein für trägerübergreifendes Wissen zu legen.
Als weitere Hürde wurden von den Teilnehmenden die rigiden Datenschutzregeln identifiziert, die trägerübergreifenden Austausch massiv erschweren. Dadurch wird die Falldarstellung stark verzögert, auch wenn keine direkten persönlichen Daten abgefragt werden. So lassen sich auf telefonischem Wege kaum relevante Informationen für die weitere Fallbearbeitung abfragen, was zu Verzögerungen im Fallmanagement führt. Letztendlich geht dies zulasten der betroffenen Personen, die auf ein schnelles Fallmanagement angewiesen sind.
Schlusswort und Ausblick
In einem Schlusswort brachten Prof. Dr. Edwin Toepler und Prof. Dr. Helga Seel die Bedeutung zur Verbesserung trägerübergreifender Zusammenarbeit auf den Punkt:
„Wenn sich Sozialversicherungsträger untereinander kennen, haben sie mehr Power, mehr Know-How und können dies für die Menschen nutzen, denen geholfen werden muss.”
Prof. Dr. Edwin Toepler, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
„Trägerübergreifende Zusammenarbeit muss dahin kommen, dass sie nicht einen zusätzlichen Aufwand darstellt, sondern dass sie zum Bestandteil einer geänderten Arbeitsweise wird. Nicht zusätzlich, sondern anders, in Form einer Haltungsänderung. Wenn uns das gelingt, ist trägerübergreifende Zusammenarbeit ein Mehrwert.”
Prof. Dr. Helga Seel, Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation
Kontakt
Patrick Baues
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Studiengangskoordinator Nachhaltige Sozialpolitik (B.A.), Geschäftsführer Forum Sozialversicherungswissenschaft e.V.
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