Kommunikation und Marketing

"Ganzheitlicher Blick auf Gesundheit am Arbeitsplatz"

Samstag, 17. April 2021

Wenn die Arbeitsbelastung zu groß wird, können Beschäftigte ernsthaft erkranken. Wie können Arbeitgeber hier gegensteuern? Vincenzo Cusumano vom Fachbereich Sozialpolitik und Soziale Sicherung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg leitet das berufsbegleitende Qualifizierungsangebot "Prävention und Employability". Dieses Angebot stellte er bei der 5. Berliner Transfertagung der Hochschulallianz für den Mittelstand am 19. April 2021 vor.
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H-BRS: Arbeit kann krankmachen. Was sind die typischen Krankheitsbilder, die durch zu starke Arbeitsbelastung zustande kommen?

Vincenzo Cusumano: Die Krankheitsbilder haben sich mit der Arbeitswelt verändert. Früher waren es vor allem die harten Malocher, die infolge starker körperlicher Beanspruchung krank wurden. In der heutigen Wissensgesellschaft sind vor allem psychische Erkrankungen stark verbreitet. Das hat man in früheren Jahren nicht so sehr beachtet, weder Ärzte noch Arbeitgeber und Beschäftigte waren dafür sensibilisiert. Doch die Digitalisierung, die zunehmende Arbeitsdichte, die ständige Erreichbarkeit und die verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Privaten haben dazu beigetragen, dass die psychischen Erkrankungen in den Fehlzeiten-Reports der Krankenkassen ganz oben stehen – neben den Muskel- und Skelett-Erkrankungen. Viele Berufstätige haben durch das ständige Sitzen Probleme mit dem Rücken.

H-BRS: "Sitzen ist das neue Rauchen" - würden Sie diesem Satz zustimmen?

Cusumano: Ja, das ist so. Das wird momentan durch die Begleitumstände der Corona-Pandemie verstärkt. Sicherlich hat die Arbeit im Homeoffice Potenziale freigesetzt, aber mit Blick auf die Ergonomie ist sie ein Desaster. Die Arbeitsplätze daheim erfüllen in der Regel nicht die Kriterien, die in Büros Standard sind. Man arbeitet auf der Bettkante oder am Küchentisch. In den eigenen vier Wänden greifen die Errungenschaften des Arbeitsschutzes nicht, ob es nun um den Stuhl, den Schreibtisch oder das Licht geht. Das Wissen um die Bedeutung der Gesundheit am Arbeitsplatz mag vielleicht da sein, wird aber nicht beherzigt.

Arbeitgeber setzen Rahmenbedingungen

H-BRS: Ist es nicht Aufgabe der Arbeitgeber, genau dafür zu sorgen?   

Cusumano: Den Arbeitgebern kommt eine wichtige Rolle zu. Sie können ihre Beschäftigten natürlich nicht zu einem verstärkten Gesundheitsbewusstsein zwingen. Aber sie können dafür sensibilisieren und Verhältnisse schaffen, die zu Verhaltensänderungen führen. Da ist durchaus ein Sinneswandel im Gange, vor allem bei größeren Unternehmen. Viele haben erkannt, dass sie davon profitieren, wenn sie gesunde Beschäftigte haben, deren Arbeitskraft ihnen lange erhalten bleibt. Dahinter stehen nicht ethische, sondern vor allem wirtschaftliche Motive: Es herrscht Fachkräftemangel, und die Menschen müssen bis zum Renteneintritt länger arbeiten. Der Nebeneffekt präventiver Maßnahmen ist dennoch in der Regel ein besseres Arbeitsklima.

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H-BRS: Was können Arbeitgeber tun?

Cusumano: Es kommt darauf an, nicht nur gesetzliche Vorgaben des Arbeitsschutzes und desbetrieblichen Eingliederungsmanagements umzusetzen. Die Kür ist ein ganzheitlicher Blick auf die Gesundheit am Arbeitsplatz. Dabei spielen Themen wie zum Beispiel Bewegung, Ernährung und Entspannung eine Rolle, aber auch gesunde Führung und Organisationsentwicklung. Es geht nicht nur darum, Angebote für Beschäftigte zu schaffen. Es braucht eine betriebliche Präventionskultur. Vor allem Führungskräfte sind dabei gefragt. Sie müssen sich für ein gesundes Arbeitsumfeld, ein gutes Arbeitsklima und einen konstruktiven Umgang mit Fehlern im Unternehmen proaktiv einsetzen. Größere Unternehmen haben Stellen für Gesundheitsmanager etabliert oder kaufen Beratung ein. Kleinere und mittlere Unternehmen haben dagegen Nachholbedarf. Da fehlt oft die Zeit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

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H-BRS: Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg bietet das weiterbildende Studium "Prävention und Employability" an. Wo setzen Sie damit an? 

Cusumano: Wir setzen bei der Qualifizierung an und nehmen vor allem Personalverantwortliche in den Blick. Gesundheit ist ein Thema der Personalentwicklung. Natürlich gehören auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Gesundheitsmanagement zu unserer Zielgruppe, ebenso wie Präventionsberater und alle, die Programme oder nachhaltige Strukturen auf diesem Gebiet entwickeln wollen. Die Teilnehmer kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen - aus öffentlichen und privaten Unternehmen wie beispielweise aus der Industrie, aus Verwaltungen, aus Sicherheitsfirmen oder Unternehmen der Abfallwirtschaft, aus dem Consulting- oder aus dem Bildungsbereich. Wir bringen Wissenschaft und Praxis zusammen, Akademiker und Nicht-Akademiker.

H-BRS: Wie ist das Studium aufgebaut?

Cusumano: Es besteht aus fünf Modulen, die jeweils aus Präsenz- und Fernlernphasen bestehen - verteilt über einen Zeitraum von neun Monaten. Die Präsenzphasen machen dabei insgesamt 25 Tage aus. Wir arbeiten mit Partnern zusammen. Die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VGB) betreut das erste Modul, das zweite liegt in den Händen des Instituts für Arbeit und Gesundheit (IAG) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Die Module drei bis fünf finden dann an unserem Hochschulcampus in Hennef statt. Die Themen reichen von wissenschaftlichen Grundlagen zu Arbeit und Gesundheit über Prävention bis hin zur Kommunikation. Die Absolventen erhalten am Ende ein Weiterbildungszertifikat. Die Corona-Pandemie hat leider dazu geführt, dass wir komplett auf Onlinelehre umstellen mussten. 2020 konnten wir immerhin noch die erste Präsenzphase abhalten. Ich hoffe, dass beim aktuellen Jahrgang wenigstens die letzte Präsenzphase wirklich vor Ort stattfinden kann. Der persönliche Austausch ist eben doch sehr wichtig.

"Wir wollen am Puls der Zeit bleiben"

H-BRS: Wie sind Sie zu "Prävention und Employability" gekommen?

Cusumano: In mehreren Etappen. Ich hatte schon immer eine Affinität zu den Themen Arbeit und Gesundheit. Ich habe bei zwei Berufsgenossenschaften gelernt beziehungsweise gearbeitet, habe dann an der Hochschule meinen Bachelor-Abschluss im dualen Studiengang Sozialversicherung gemacht, später noch den Master an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Uni Bielefeld. Seit 2007 bin ich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule und hatte seitdem immer wieder mit Prävention und betrieblichem Gesundheitsmanagement zu tun. Vor einigen Jahren kamen die VBG und das IAG auf uns zu und regten ein entsprechendes Studienangebot an. Erst war ein Bachelor-Studiengang im Gespräch, doch dann wurde eine berufsbegleitende Weiterbildung daraus. Ich habe die konzeptionellen Grundlagen erarbeitet, ein Projektteam aufgebaut und weitere Fachbereiche der Hochschule einbezogen. Als Studienleiter koordiniere ich das Angebot, und ich befinde mich im Austausch mit unserem wissenschaftlichen Beirat.

H-BRS: Ist das Konzept aufgegangen?

Cusumano: Ja, wir erleben bei den Absolventen eine hohe Zufriedenheit, der Praxisbezug wird gelobt. Das Feedback der Unternehmen fließt auch in die Gestaltung der Module ein. Nach gut vier Jahren ist nun aber die Zeit für eine größere, systematische Evaluation gekommen – in Form einer Befragung der bisherigen Teilnehmer. Da sich die Arbeitswelt ständig weiterentwickelt, muss sich auch unser Angebot entwickeln. Wir wollen am Puls der Zeit bleiben.  

Das Gespräch führte Dominik Pieper.

Kontakt

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Vincenzo Cusumano

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Leiter weiterbildendes Studienangebot „Prävention und Employability“

Standort

Hennef

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10 U 13

Adresse

Zum Steimelsberg 7

53773, Hennef

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Dominik Pieper

Leiter Kommunikation und Marketing

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