Kommunikation und Marketing
ARGUS: Ein smarter Einkaufsassistent für blinde und seheingeschränkte Menschen
Nicht-barrierefreie Supermärkte bringen für blinde und seheingeschränkte Menschen eine Reihe von Herausforderungen mit sich: Sie müssen sich zunächst einmal in den Gängen orientieren. Zusätzlich erschwert wird die Navigation durch die häufigen Veränderungen in der Verkaufsfläche, etwa durch vorübergehend platzierte Sonderangebote. Ist das richtige Regal gefunden, fällt die Produkterkennung oft schwer, weil sich Verpackungen in Material und Form zu stark ähneln. Die Hürden für das Informieren und das Vergleichen liegen dementsprechend hoch, erst recht gilt dies für die Selbständigkeit im Alltag und den Spaß am Einkaufen.
Im Projekt ARGUS arbeitet die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg an einem smarten digitalen Agenten, der blinde Menschen unterstützen soll, gewünschte Produkte zu finden und sich über sie zu informieren. Integriert in Alltagsgeräte wie Smartphones, soll dieser Assistent über Sprache und eine App gesteuert werden und Verbraucherinnen und Verbraucher im Geschäft individuell unterstützen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Künstliche Intelligenz: Als lernender Assistent soll der digitale Begleiter Produkte im Regal erkennen und seinen Menschen und dessen Vorlieben immer besser kennenlernen, um mit ihm über Geschmack und Qualität zu diskutieren.
Für das Projektteam unter der Leitung von Professor Alexander Boden und Margarita Esau-Held ist wichtig, die künftigen Nutzerinnen und Nutzer von Anfang an in die Entwicklung des digitalen Einkaufsbegleiters einzubeziehen. So haben sie zum Beispiel Interviews mit der Zielgruppe durchgeführt, um ihre Alltagspraktiken und Anforderungen kennenzulernen. Um im Alltag beschriebenen Problematiken zu erleben, begleiteten sie blinde Menschen beim Einkaufen. Eine Studienteilnehmerin beschreibt ihre Einkaufserfahrungen so:
„Für mich ist das Einkaufen eine der größten Stresssituationen. Ich würde durch den Assistenten vielleicht viel lieber einkaufen gehen, weil er mir irgendwie den Stress nimmt und ich mich nicht anstrengen muss, irgendwas zu finden. Ich könnte mir in einer gewissen Form auch selbst helfen. Das ist mir auch wichtig, dass ich so viel wie es geht, selber machen kann.“
„Während unserer Auftaktstudie sind wir uns der Fülle an visuellen Informationen und ähnlichen Verpackungen, denen die Verbraucherinnen und Verbraucher ausgesetzt sind, nochmal richtig bewusst geworden“, sagt Margarita Esau-Held, Projektleiterin an der H-BRS. „Deshalb besteht die zentrale Herausforderung darin, Informationen wie Hinweise, Erklärungen, Produktmerkmale, Farben, Materialien, die alle visuell zeitgleich zur Verfügung stehen, auditiv zu übersetzen. Und dabei eine zeitliche Abfolge der Informationen zu gestalten, die den vielfältigen Informationsbedürfnissen der Menschen gerecht wird.“
Die H-BRS und ihre Partner in dem Projekt setzen bei der Entwicklung des digitalen Einkaufsberaters auf die zunehmende Beliebtheit von Sprachassistenten im Alltag. Der neuartige Einkaufsberater wird jedoch speziell auf die Bedürfnisse und Kompetenzen nicht sehender Menschen zugeschnitten sein und damit weit über bekannte Sprachassistenten hinausgehen.
Die H-BRS arbeitet in dem Projekt ARGUS mit den Start-ups SonicView und VAGO solutions und Petanux zusammen. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Innerhalb der H-BRS ist das Institut für Verbraucherinformatik (IVI) für das Projekt verantwortlich. Das am Campus Sankt Augustin ansässige IVI besitzt umfangreiche Forschungserfahrung auf den Gebieten Digitalisierung von Konsumfeldern, Mensch-Computer-Interaktion sowie Künstliche Intelligenz. Außerdem kann es auf weitreichende Expertise beim Datenmanagement entlang der Lebensmittellieferkette zurückgreifen.
Die Erkenntnisse aus den Gesprächen und Beobachtungen sollen in den smarten Assistenten einfließen, der in den kommenden Monaten mehr und mehr Gestalt annehmen wird. Eine wesentliche Einsicht hat der Austausch mit den Betroffenen schon jetzt hervorgebracht: Die eine Lösung, die für alle blinden und seheingeschränkte Menschen gleichermaßen gut funktioniert, wird es wohl nicht geben – dafür sind die Bedürfnisse zu unterschiedlich. Auf der anderen Seite hat der neuartige Einkaufsbegleiter das Potenzial, für andere Nutzergruppen als Menschen mit Seheinschränkungen angepasst zu werden und das Einkaufen zu einem informativen und interaktiven Erlebnis zu machen.
Institut für Verbraucherinformatik (IVI) an der H-BRS
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