Kommunikation und Marketing
25 Jahre Transfer: Udo Scheuer geht in Ruhestand
H-BRS: Kannst Du Dich noch an Deinen ersten Arbeitstag 1997 erinnern?
Udo Scheuer: Natürlich. Ich bekam am Vortag einen Anruf der Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit, die mit der neuen Stabsstelle Transfer ein Miniteam bildete – bestehend aus der Pressesprecherin Eva Tritschler und einer gemeinsamen Sekretärin. Die fragten mich, ob ich am Abend meines ersten Arbeitstags bei einer Veranstaltung einen Vortrag über die Hochschule halten könne. Das habe ich gemacht – nachdem ich den ersten Tag damit verbracht hatte, eine Lieferung von Messestellwänden auszupacken und einzulagern.
H-BRS: Das klingt nach einem ziemlich hemdsärmeligen Beginn.
Scheuer: Das war typisch für die Pionierphase der Hochschule, die bei meinem Einstieg ja gerade erst zwei Jahre bestand. Man fragte nicht nach Zuständigkeiten. Es gab noch keine. Die Frage war eher, wer noch eine Hand frei hat und wer wo anpacken kann. In diesem Umfeld konnten wir aber Vieles entwickeln und bewegen. Als die ersten Gründer aus der Hochschule hervorgingen, noch bevor wir die ersten Absolventen hatten, haben wir um die Jahrtausendwende den Gründercampus gegründet, den Vorläufer des heutigen Ökosystems für Startups in der Region.
H-BRS: Heute gilt die Hochschule als forschungsstark, sie ist erfolgreich im Transfer. Wie kann man sich den Transfer Ende der 90er Jahre vorstellen, als es noch keine Forschung gab?
Scheuer: Es ging zunächst einmal darum, die Hochschule bekannt zu machen – in der Politik, in der Bevölkerung und natürlich bei Studieninteressierten. Damals sind jedes Jahr neue Studiengänge entstanden, und die mussten beworben werden. Wir sind auf jedes Event gegangen, das uns reingelassen hat: Regionalkonferenzen, Hochschulmessen, Bürgerfeste und so weiter. Wir haben zur Bewerbung von Studiengängen sogar die Plakate selbst entworfen. Als der Studiengang Technikjournalismus startete, lautete der Slogan „Verstehen Sie Bahnhof, wenn es um Technik geht?“. Daneben haben wir ein großes Bild mit einer Lok gezeigt.
Innovation begann mit einer alten Kreissäge
H-BRS: Wann ging es mit der Forschung richtig los?
Scheuer: Ein, zwei Jahre nach meinem Antritt. In dieser Aufbauphase kamen in relativ kurzer Zeit viele neue Professoren und Professorinnen an die Hochschule, und sie brachten einige Ideen und Ansätze mit. Ab etwa 1999 haben wir erste Forschungsanträge erfolgreich platziert. Wenige Jahre später kamen aus den Reihen der Hochschule erste Erfindungsmeldungen und Patente, die wegweisend waren – etwa die Arbeiten von Norbert Jung in den Bereichen Arbeitssicherheit und Biometrie. Ich erinnere mich, dass wir auf der Hannover Messe mit einer alten Kreissäge für Aufsehen sorgten. Mittels Lasersensoren war es gelungen, sie sicher zu machen: Wenn jemand seine Hand dranhielt, klappte sofort eine Schutzvorrichtung herunter. Das führte dazu, dass wenige Wochen später sämtliche deutsche Hersteller von Kreissägen bei uns saßen und mehr über die Technik wissen wollten. Daraus resultierten Auftragsprojekte, aber auch – als Spätfolge – die strategische Kooperation mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, mit dem wir im vergangenen Jahr das Biometrie-Evaluationszentrum an den Start gebracht haben. Vor allem aber konnten wir durch Patente zu verschiedenen Themen deutlich machen, dass wir die maßgeblichen Expertinnen und Experten an der Hochschule haben.
H-BRS: Welche Rolle kam dabei dem Transfer zu? War er die Startrampe für Forschungsprojekte?
Scheuer: Durch den Transfer haben sich viele Türen geöffnet. Wir haben viele erfolgreiche Anträge geschrieben, bei denen wir nicht nur formal korrekt die Forschungsfrage erläutert haben, sondern auch den Transfergedanken betont haben: Was passiert nach dem Ende des Forschungsprojekts, welchen Nutzen hat es auf die Dauer? Wie wollen wir unsere Ergebnisse verwerten? Wir waren, glaube ich, von Anfang an agiler und aktiver als mancher akademische Mitbewerber, wir haben relevante Themen frühzeitig aufgegriffen, und wir haben Leute aufgebaut, die praxisnah forschen wollten. Das war immer das Erfolgsgeheimnis. Mit der Gründung des Zentrums für Wissenschafts- und Technologietransfer 2011 haben wir neben der Forschungsförderung dem Transfer zu mehr Sichtbarkeit verholfen und ihn auf eine neue Grundlage gestellt.
H-BRS: Wie habt Ihr die relevanten Themen aufgespürt?
Scheuer: Im Dialog mit unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Und natürlich durch engen Kontakt mit der Wirtschaft, beispielsweise in Form von Unternehmensbesuchen. Wir haben gezielt nach Zukunftsthemen der einzelnen Branchen gefragt, viele wurden später zum Gegenstand praxisnaher Forschung. Schon sehr früh haben wir Netzwerkmanagement betrieben, zu einer Zeit, in der dieser Begriff noch gar nicht verwendet wurde. Da haben wir einige Formate etabliert, die gut angenommen wurden, etwa den Unternehmenstag oder das Präsidentendinner in der Bundeskunsthalle. Wissenschaft und Wirtschaft bei einer Lagerfeld-Ausstellung zusammenzubringen, war eine interessante Erfahrung – das hat erfreulicherweise sehr gut funktioniert. Durch all diese Entwicklungen ist es gelungen, das Fachhochschul-Image abzulegen und unsere Stärken in der Forschung zu zeigen. Mit dem Projekt „Campus to World“ konnten wir in den vergangenen Jahren unser Profil weiter schärfen.
"Campus to World" als Höhepunkt
H-BRS: War „Campus to World“ als Teil der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ rückblickend der größte Erfolg Deiner Dienstzeit?
Scheuer: Ja, das war schon ein ganz wesentliches Projekt. Wir konnten dadurch verschiedene Handlungsfelder erweitern, hinsichtlich Biometrie und Sicherheitsforschung, des Ausbaus von Transferstrukturen und der Themen Ethik und Verantwortung. Wir haben dabei aber auch für uns neue Themen wie die Bürgerwissenschaften ausgebaut, indem wir den Austausch zu möglichst konkreten Alltagsthemen – etwa Hausgärten unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit – gesucht haben. Die Frage lautete: Wie können wir Bürgerfragen in Wissenschaftsantworten ummünzen? Leider endet „Campus To World“ zum Jahresende, wir sind mit unserem Antrag nicht in die zweite Förderrunde gekommen. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass der Fokus dort auf neuen Hochschulen lag. Die Hochschule wird aber mit Sicherheit die zentralen Elemente aus dem Antrag aufgreifen und auf anderem Wege umsetzen. Vor allem rund um das große Thema Nachhaltigkeit, mit dem es die Hochschule ernst meint. Mit der neuen Nachhaltigkeitsstrategie und und der Schaffung der nötigen Strukturen wird die Hochschule in der Lage sein, Projekte und Initiativen systematisch auszurollen.
H-BRS: Bedauerst Du es, dieses neue Kapitel nicht mehr im Amt mitzuerleben?
Scheuer: Ich muss schon zugeben, dass es einiges gibt, was mich noch gereizt hätte. Die Initiativen rund um das Thema Nachhaltigkeit gehören dazu, aber auch die vom Bund geplante Transferagentur DATI, die Forschung und Wirtschaft zusammenbringen soll. So gesehen ist es ein schlechter Zeitpunkt zum Aufhören. Aber der Ruhestand kommt ja nicht überraschend, und die Hochschule hat den nötigen Rückenwind, mit dem sie diese Themen angehen kann.
H-BRS: Was wirst Du vermissen?
Scheuer: Die Vielfalt der Hochschule und das Zusammenspiel mit ganz vielen Menschen, die unterschiedlich gestrickt sind. Wenn das Telefon klingelte, wusste man vorher nie, ob es um Robotik, Gentechnik oder Unternehmensgründungen geht. Das war spannend, und es sind viele kollegiale und freundschaftliche Verbindungen entstanden, die mir sicher fehlen werden. Ich bin mir aber sicher, dass im Ruhestand keine Langeweile aufkommen wird. Familie, Ehrenamt, Sport, Gitarre spielen, Reisen – es gibt genug zu tun.
Interview: Dominik Pieper
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