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Kommunikation und Marketing

Kathrin Schmitt, Chemie

Von einem Land ins nächste fliegen, tagsüber Kunden betreuen, abends mit ihnen in teuren Restaurants essen gehen und am nächsten Tag zurück in die Heimat fliegen. Für viele klingt das nach Abenteuer, und sie würden es sofort machen. Für Kathrin Schmitt ist das tägliche Arbeit.
Kathrin Schmitt 2 (DE)

Es ist sieben Uhr morgens, Kathrin Schmitt sitzt im Flugzeug auf dem Weg zu einem Geschäftstreffen in Bulgarien. Erst gestern war sie noch in England, und das Ende der Woche ist noch nicht in Sicht. So sah ihr Job noch vor ein paar Jahren aus, bevor sie sich entschied, ihr Leben ausgeglichener zu gestalten. Auch in ihrem heutigen Job als Sales Managerin in einem Chemiekonzern ist sie oft unterwegs, agiert jedoch nicht mehr in einem ganz so großen Gebiet. „Das Reisen ist natürlich schön, ich habe viele, auch kleine und unscheinbare Orte kennen und lieben gelernt, aber mit dem Job kann es auch sehr anstrengend werden“ erzählt sie.

Schmitts Interesse an der Chemie wurde schon früh geweckt. Nicht zuletzt lag das daran, dass sie in Leverkusen aufgewachsen ist. Dort sitzt Bayer, einer der größten Chemiekonzerne der Welt, der enorme Bedeutung für die Stadt und ihre Umgebung hat. „In der Schule hatte gefühlt jeder mindestens einen Verwandten, der bei Bayer arbeitet“ erzählt Schmitt. Mit 14 Jahren hatte sie einen Chemielehrer, der einen besonderen Eindruck bei ihr hinterließ. Sie erinnert sich vor allem an ein Experiment, in dem er zeigte und erklärte, wie er Rotkohlsaft als pH-Indikator nutzt. „Das zu sehen und auch nachvollziehen zu können, was da chemisch vor sich geht, war echt spannend.“ Durch Kontakte in der Familie gelangte Schmitt an ein dreiwöchiges Praktikum bei einer anderen Chemiefirma. Dadurch wurde ihr klar, dass sie nicht im Labor sitzen möchte, sie setzte sich gleich das höchste Ziel: Sie wollte Chefin werden.

Um dies zu verfolgen, fing Kathrin Schmitt ein Chemie-Studium an der Universität Bonn an. „Es waren die typischen ersten Studentenjahre: Alles ist neu, man lernt, sich selbst zu organisieren und man konzentriert sich auf das Studium“ erzählt sie. Jedoch erschien ihr das Studieren an der Uni sehr trocken und wenig praxisorientiert. Also überlegte sie, an eine Fachhochschule zu wechseln, was sie 2004 auch tat. Am Campus Rheinbach der H-BRS wurde Praxis mit Theorie gut gemischt. Viele Kommilitonen dort hatten schon eine Ausbildung hinter sich, während in Bonn die meisten frisch von der Schule kamen. So konnte man sich gut austauschen und aufgrund der unterschiedlichen Erfahrungen einander besser helfen. Ein weiterer Unterschied, der sich für Schmitt als wegweisend erweisen sollte, war, dass man an der HBRS ermutigt wurde, sich auch den Vertrieb von Chemieprodukten anzusehen – an der Uni, so Schmitt, sei es dagegen zu 95 Prozent um Laborarbeit gegangen.

Ihre Diplomarbeit schrieb Schmitt bei der Produktentwicklung der Firma Schneidereit, einem Spezialisten für Industriewaschmaschinen und -Trockner. „Dort lernte ich jemanden kennen, der mir empfahl, in den Vertrieb zu gehen, da ich das Zeug dazu hätte“, erinnert sie sich. Anfangs war sie zwar skeptisch, weil sie sich selbst eher in der Produktentwicklung sah, aber probieren wollte sie es trotzdem. Das entspricht ihrem Wesen und empfiehlt sie heute selbst jedem, der sie fragt: „Halte überall deinen Finger rein, probiere alles aus, denn nur so erkennst du, ob du es magst oder eben nicht“.

Drei Monate später fing sie einen Job als  Account Manager bei Zschimmer & Schwarz an. Der Einblick in den Vertrieb dort gefiel ihr gut, sie kümmerte sich um die Beziehungen zu neuen und bestehenden Kunden. Hier konnte sie die nächsten zweieinhalb Jahre viele Erfahrungen sammeln. 2010 wechselte sie dennoch zu dem Unternehmen Stepan Europe. Dort arbeitete sie weiterhin im Vertrieb als Area Sales Managerin, war jedoch für alle Kunden in Europa zuständig. Das bedeutete zwar mehr Lohn, aber auch deutlich mehr Arbeit. Von morgens bis abends unterwegs, nur sehr kurzfristig erfahren, wo man in der nächsten Woche ist und wenig Zeit für Freunde und Verwandte. „Manchmal habe ich mich echt gefragt, wo ich eigentlich gerade bin“, sagt Schmitt. „Aber es gab auch viel Positives, so habe ich viel über meinen Job gelernt, habe neue Orte kennengelernt und bin auch mal ein Wochenende länger geblieben.“ Da Schmitt gern auch den Kochlöffel schwingt und sich selbst als absoluten Genussmensch bezeichnet, sammelte sie auf ihren Reisen auch neue Ideen fürs Kochen. Die Fusionsküche hat es ihr besonders angetan, klassische Hausmannskost aufpeppen und so ein neues, leichteres Gericht zaubern.

Nach zweieinhalb Jahren in diesem Stressjob spürte sie allerdings, dass ihre „Waagschale“, ihre Life-Work-Balance, ins Ungleichgewicht geraten war. Sie wechselte 2012 erneut den Job, diesmal als Sales Managerin zu Elementis, ihrem aktuellen Arbeitgeber. Dort ist sie nur für den deutschsprachigen Raum zuständig, kümmert sich um den Vertrieb chemischer Rohstoffe und die Kundenbetreuung. „Wir haben kleine und große Kunden, es gibt viel Abwechslung. Manchmal wünschen die Kunden Chemikalien mit speziellen Eigenschaften und ich muss sehen, ob das chemisch möglich ist“.

Doch so viel sie auch in ihrem neuen Job beschäftigt ist. Nebenher engagiert sich die 35-jährige im sozialen Bereich: Seit 2012 ist sie Mentorin bei „Die Komplizen“. Dies ist eine gemeinnützige Einrichtung, welche jungen Berufsanfängern und Schülern kurz vor dem Abschluss hilft, ihren Weg zu finden. Die Mentoren nehmen Schüler mit gleichem Interessengebiet unter ihre Fittiche und zeigen ihnen an Praxis-Beispielen, wo Aufstiegschancen liegen und wie sie erreichen, was sie erreichen möchten. „Man ist eine Art große Schwester oder großer Bruder“, so Schmitt. „Die Schüler können über alles reden und Fragen stellen.“

So ist Kathrin Schmitt also auch heute noch nicht nur in ihrem Job viel unterwegs, sondern auch privat. Ihre Waagschale empfindet sie nun jedoch als ausgeglichen. Doch da war doch noch etwas: Ihr ambitioniertes Ziel Chefin zu werden, hat sie nicht aus den Augen verloren. Demnächst geht ihr Chef in Rente, dann würde sie gerne übernehmen: „Ich werde es zumindest probieren. Wenn es mir gefällt, gut, wenn nicht, habe ich wieder etwas gelernt.“

Text: Michael Steimel

Michael Steimel studiert an unserer Hochschule Technikjournalismus. Er verfasste dieses Porträt im Rahmen eines Wahlkurses (Porträtschreiben am Beispiel von H-BRS-Alumni) im Wintersemenster 2015/2016.