Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Kommunikation
„Technik sollte ein Schulfach für alle werden“ – Susanne Keil im TREE-Forschungskolloquium
Die unterschiedliche Technikaffinität von Frauen und Männern hat auch etwas mit der Vermittlung von Technik in den Medien zu tun. Und so hat sich Susanne Keil unter den Fragestellungen „Wer kommuniziert über Technik?“ und „Wie wird aktuell über Technik kommuniziert?“ in ihrer bisherigen Forschung mit ganz unterschiedlichen Medienformaten beschäftigt: von Lokalberichterstattung über englischsprachige Tageszeitungen bis hin zu Social Media wie Youtube und Instagram – immer mit dem Blick auf die Rolle der Medien bei der Verhandlung von Technik und Geschlecht in unserer Gesellschaft.
Neben diversen Studien zur Sichtbarkeit von Frauen in der Technikberichterstattung, u.a. zusammen mit Dr. Nina Leonhardt, standen die Wünsche von Rezipientinnen unterschiedlichen Alters an die Technikkommunikation im Fokus ihrer jüngsten Projekte im Forschungsschwerpunkt „Technik – Gender – Journalismus“. Das allgemeine Ergebnis: Es konnten Belege für den Zusammenhang zwischen Kommunikation und Technikaffinität gefunden werden. Doch was bedeutet das in der praktischen Umsetzung? „Dass wir eine Technikberichterstattung speziell für Frauen machen, kann nicht die Lösung sein“, so Keil. Vielmehr müsse sich die bisherige Kommunikation über Technik den Wünschen von Frauen und Mädchen öffnen. Davon könnten auch andere Personengruppen profitieren, die sich aktuell nicht in der Technikkommunikation wiederfinden.
Mit einer entsprechenden Kommunikation zur Begeisterung für Technik und technische Berufe bereits bei jungen Mädchen anzusetzen, sei dabei besonders sinnvoll, denn: Die geschlechtliche Identität und damit verbunden auch die Einstellung und das Verhältnis zu Technik bildet sich vor und spätestens während der Pubertät. Und so bekamen in ihrem jüngsten von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsprojekt „Elektrotechnik statt BibisBeautyPalace“ Schülerinnen im Alter von 12 bis 16 Jahren selbst die Kamera in die Hand gedrückt, um ihre eigenen Technikgeschichten zu erzählen. Dabei wurden von Juliane Orth als Wissenschaftlicher Mitarbeiterin sowohl der Videoproduktionsprozess als auch die fertigen Videos und Reaktionen auf diese beobachtet und dokumentiert, um die Wünsche der Mädchen an die Technikkommunikation (auf der Video-Plattform Youtube) zu ermitteln. Die zentrale Erkenntnis: „Mädchen wollen Girlsplaining“, sagt Keil. Neben dem Geschlecht spiele das Alter der Protagonistinnen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Außerdem sollte ein positiver Umgang mit Fehlern und Problemen mit der Technik etabliert werden. Derartige Rolemodels finden die Mädchen auf Youtube bisher kaum vor.
Ihren Blick legt Susanne Keil in ihrer Forschung aber nicht allein auf Frauen, sondern ebenso auf die stereotype Darstellung von Männern: Der Ingenieur als Mann der Tat. Dieses Credo finde sich auch heute noch in der medialen Kommunikation über Technik wieder – beispielsweise bei Tech-Youtubern. „Bestehende Männlichkeitsbilder sind ein guter Punkt, um mit Veränderungen anzusetzen“, erklärt Keil. Und so freute sich Keil besonderes über die soeben fertiggestellte Master-Thesis von Franziska Franken, die sich diesem Thema gewidmet hat. So erführen Tech-Youtuber, die sich mit dem Thema Elektromobilität auseinandersetzen, stellenweise heftige Kritik für ihr Interesse an dieser umweltfreundlicheren Technologie. In den Kommentarspalten finden sich Bemerkungen von Followern, die ein Elektroauto als „nicht männlich“ empfinden.
Im Rahmen der Schwerpunktprofessur „Soziale Nachhaltigkeit und Gender“ sind in den nächsten fünf Jahren mehrere Forschungsprojekte geplant, u.a. das Projekt „MINT-Frauen und Nachhaltigkeit“ in Kooperation mit dem Fraunhofer FIT, bei dem in leitfadengestützten Interviews mit Professorinnen und Forscherinnen die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für Frauen in der angewandten Forschung ergründet werden soll. Weitere Projekte sollen sich mit Themenbereichen wie „Diversity in Autonomous Driving“ oder der langfristigen Wirkung von MINT-Medienprojekten beschäftigen.
Die Stärkung der Teilhabe von Frauen an wissenschaftlich-technischer Entwicklung möchte Susanne Keil in den Fokus der Schwerpunktprofessur stellen. Dabei gilt ihr Augenmerk wie in ihrer bisherigen Forschung der Rolle der Medien in diesem Kontext. Ein langfristiges Ziel ist es, die Genderforschung im Rahmen ihrer Schwerpunktprofessur über den Fachbereich IWK hinaus an der gesamten Hochschule sichtbarer zu machen: „Mir ist es wichtig, Genderaspekte strukturell zu implementieren – auch in Forschung und Transfer an der gesamten Hochschule Bonn-Rhein-Sieg“, so Keil.
Auf die Frage aus dem Publikum, ob Frauen eventuell ein reiferes Verhältnis zu Technik hätten, antwortet Keil: „Viele Männer haben offenbar eher ein spielerisches und natürlicheres Verhältnis zu Technik. Frauen fragen sich eher: Was nutzt mir das im Alltag oder für die Gesellschaft? Wir müssen aber aufpassen, dass wir solche Zuschreibungen nicht reproduzieren. Alles ist veränderbar und jeder Mensch ist individuell.“ Eine Lösung könnte es sein, mehr Brücken zu bilden, damit Frauen stärker am gesellschaftlichen Diskurs über Technik teilnehmen. Und da müssen bereits die Schulen ansetzen, indem sie Technologien und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft im Unterricht nicht nur im Wahlbereich behandeln: „Technik sollte ein Schulfach für alle werden.“
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Susanne Keil
Prodekanin des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Kommunikation, Professur für Journalistik, Schwerpunktprofessur "Soziale Nachhaltigkeit und Gender"
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