Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Kommunikation
Rund ums Rad: Abschlusspräsentation im Seminar Design Thinking
"Thinking out of the Brotbox"
"Wie können wir den bestehenden Open Bike Sensor für Fahrradfahrende so umgestalten und weiter verbessern, damit möglichst viele den Abstandssensor nachbauen können?" Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich das Team "Sicherheitsradler" in Kooperation mit der Stadt Bonn in ihrem Design Thinking Seminar an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Der Open Bike Sensor misst Überholabstände von Kraftfahrzeugen gegenüber Radfahrenden. Ziel des Seminars war es vor allem bestehende Lösungen zu optimieren. Und so entwickelten die "Sicherheitsradler" während des Sommersemesters drei Prototypen. Für den ersten Prototypen spielte sich die Ideenfindung eher auf der Metaebene ab: ein Konzept für den Bau von Sensoren als mögliches Wahlfach, mit dem Ziel, derartige Praxisprojekte fest in den Studienablauf zu integrieren und somit kontinuierlich an Lösungen zu arbeiten. Bei Prototyp 2 lag der Fokus auf der alternativen Stromversorgung. Um die Entwicklung eines alternativen Gehäuses für den Open Bike Sensor ging es schließlich bei Prototyp 3. Unter dem Motto "Thinking out of the Brotbox" wurde eine handelsübliche Brotdose zur Halterung umfunktioniert. Diese Lösung eignet sich laut ihren Entwicklern besonders dann, wenn es am 3D-Drucker scheitert und sei somit für alle leicht zugänglich, günstig und zudem auch noch wasserdicht. Der Deckel wird einfach mit Kabelbindern am Rahmen befestigt, bleibt am Fahrrad zurück, während der Rest mitgenommen werden kann. So ist der Sensor auch vor Diebstahl geschützt.
Sensormessungen zeigen Handlungsbedarf
Open Bike Sensor ist ein Open Source, Open Innovation, Open Data und Open Science Projekt und wird in ehrenamtlicher Arbeit entwickelt, aber nicht verkauft. Die detaillierten Baupläne sind frei im Internet verfügbar, sodass Interessierte - etwas technisches Know-how vorausgesetzt - den Sensor selbst nachbauen können. Bei Fragen und Problemen hilft die Community.
Die Sensormessungen werden online in einer interaktiven Karte in Form von Heatmaps visualisiert und belegen objektiv und transparent, wo und wie häufig zu eng überholt wird. Sie machen Verbesserungspotenziale für die Verkehrsinfrastruktur sichtbar und zeigen Verantwortlichen wie Kommunen, Ordnungsbehörden und der Polizei, wo Handlungsbedarf besteht. So hat der Einsatz des Open Bike Sensors beispielsweise in Osnabrück Wirkung gezeigt: Eine bestehende Fahrradspur wurde vergrößert.
Mit Flyern und QR-Codes auf Müllfahrzeugen
Um die Bewerbung des Open Bike Sensors kümmerte sich das Team "Wheelwatchers" unter der Fragestellung: "Wie können wir den optimierten Open Bike Sensor für Fahrradfahrende attraktiv machen, damit viele Sensoren gebaut und genutzt werden?" Mit dem Ziel, den Bekanntheitsgrad des Sensors zu erhöhen, entwickelten die Studierenden Werbematerial-Prototypen wie Flyer, QR-Codes für Werbeflächen (beispielsweise in Fahrradläden oder auf Müllfahrzeugen) sowie ein Erklär-Video. Diese Maßnahmen sollen den Nutzen und die Funktionsweise des Sensors für Radfahrende möglichst eindringlich und in leichter Sprache aufzeigen. Das sei besonders bei sensiblen Themen wie Datenschutz und Privatsphäre von Bedeutung, so die Studierenden. Henning Spreckelmeyer von der Stadt Bonn sieht hier ein starkes Anschlusspotenzial Menschen zu erreichen, die bisher noch keine Berührungspunkte mit dem Open Bike Sensor haben.
Open Bike Sensor - Was ist das?
Unfallfreies Kaffeetrinken in der Rikscha
"Wie können wir Mahlzeiten und Getränke in der Rikscha ermöglichen, damit die Senior:innen während der Fahrt gemütlich Kaffee trinken und essen können?" - dieser Fragestellung, natürlich unter Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten einer Rikscha, widmete sich das Team "Snack & Ride" in Kooperation mit dem Verein Radeln ohne Alter. Der Bonner Verein organisiert kostenfreie Rikscha-Fahrten für Senior:innen für mehr Teilhabe und Lebensfreude durch soziale Erlebnisse. Die Studierenden stellten den Entwicklungsprozess ihrer Prototypen anschaulich in Form eines Schauspiels dar. Die Zuschauerinnen und Zuschauer durchlebten gemeinsam mit ihnen die einzelnen Schritte des Design Thinking Prozesses: Verstehen, Beobachten/Erforschen, Point of View, Ideen entwickeln, Prototyping (Modellierung der besten Ideen), Testen. So zeigten die Studierenden beispielsweise den Schritt des Beobachtens und Erforschens durch die szenisch nachgestellte Befragung von Senior:innen. Das Team entwickelte während des Sommersemesters mehrere Prototypen nach den Bedürfnissen der Zielgruppe, wobei ein verstellbarer Klemmtisch für "unfallfreies" Essen und Kaffeetrinken in der Rikscha bei den beiden Vertreterinnen von Radeln ohne Alter am besten ankam. Man benötige in den zahlreichen Werkstätten des Vereins lediglich eine Anleitung oder technische Zeichnung des Tisches, um diesen nachzubauen.
Design Thinking ermöglicht praxisnahes Arbeiten
Auf die Frage, was sich die Kooperationspartner von derartigen Studierenden-Projekten erhoffen, antworteten Natalie Chirchietti und Caroline Kuhl von Radeln ohne Alter: "Wir haben nicht die Zeit, solche spannenden Projekte zu testen. Die Studierenden können sich konkret mit einer Fragestellung befassen und kontinuierlich an einem Thema arbeiten." Sehr hilfreich seien dabei auch Feedbackschleifen und der ständige Austausch mit den Werkstätten an unterschiedlichen Standorten gewesen. Und auch Jana Hevendehl von der Stadt Bonn bewertet die Erfahrungen mit den Studierenden positiv und sieht Potenzial für zukünftige Projekte. "Der Kontakt zur Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ist uns sehr wichtig. Das Projekt hat neue Erkenntnisse gebracht, die wir nutzen werden. Wir freuen uns auf weitere Zusammenarbeit", so Hevendehl.
Dozentin Corinna Ruppel hebt hervor, dass die Studierenden im Seminar eben nicht an abstrakten theoretischen, sondern, durch die Kooperationen mit den Partnern, an echten praxisnahen Fragestellungen und nutzerorientierten Lösungen arbeiten: "Ich bin überzeugt, dass ein solches Vorgehen für beide Seiten einen großen Mehrwert liefert und freue mich, dass wir in diesem Jahr mit der Stadt Bonn sowie Radeln ohne Alter Partner gefunden haben, die einen Beitrag zur Fahrradmobilität und -freude leisten und damit zum Anspruch und Inhalt des Studiengangs Nachhaltige Ingenieurwissenschaft passen."
Text: Juliane Orth