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Moritz Eidens, Applied Biology (B.Sc.) und Biomedical Sciences (M.Sc.)
Der folgende Text ist ursprünglich 2010 im "doppelpunkt:" erschienen mit dem Titel „Kaum Nebenwirkungen dank DNA“. Wir haben 2016 bei Moritz Eidens nachgefragt, was sich seitdem bei ihm getan hat. Sie erkennen die hinzugefügten Passagen am Kursivdruck. Den Originalartikel finden Sie im doppelpunkt-online.
Jährlich sterben etwa 16.000 Menschen an Nebenwirkungen von Medikamenten. Ein Team, bestehend aus Absolventen und ehemaligen Mitarbeitern der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, hat sich dieser Problematik angenommen. So entstand ein neues und innovatives Unternehmen an der Schnittstelle von Pharmazie und Genetik. Das innovative Produkt der Mainzer Biowissenschaftler: der PharmGenomics MutaChip.
Schon während ihrer Bachelorarbeit erkannten die Rheinbacher Biologiestudenten Moritz Eidens und Stefan Prause ein wichtiges Problem der modernen Medizin: Nicht jeder Mensch verträgt jedes Medikament gleich gut, und einer der Gründe dafür liegt in den genetischen Unterschieden von Mensch zu Mensch, den sogenannten Polymorphismen, verborgen. Denn die menschliche DNA reguliert nicht nur unsere Entwicklung, sie gibt auch den Bauplan für unseren Stoffwechsel vor. Hier können kleine Variationen dazu führen, dass bestimmte Medikamente nicht richtig abgebaut werden können und mit der Zeit den Körper schädigen. Zwar kann man diese speziellen genetischen Varianten untersuchen, aber leider sind solche Testverfahren in der Regel langwierig und teuer.
Ein günstiger Test der Aufschluss bringt
Genau hier haben die ehemaligen Studenten angesetzt und sich während ihrer Masterarbeit mit der Entwicklung eines schnellen und günstigen Gentestes befasst, der vor Therapiebeginn eine Aussage darüber zulässt, ob eine Person ein Medikament gut vertragen kann oder mit erheblichen Nebenwirkungen rechnen muss. „Wir entwickeln bei uns Diagnostiktools“, bringt Stefan Prause die jetzige Arbeit der Biowissenschaftler auf den Punkt.
Dank Studium gut vorbereitet
Der Studiengang Applied Biology der Hochschule hat sich nicht nur zum Ziel gesetzt, fundiertes Wissen zu vermitteln, sondern auch von Anfang an die Verknüpfung zum praktischen Arbeiten herzustellen, sei es durch die Laborarbeit oder durch das Einüben von Präsentationstechniken auf Englisch.
„Wir haben während des Studiums gelernt, praxisorientiert zu denken und praxisorientiert zu arbeiten“, meint Moritz Eidens. Diese Vorteile des Praxisbezugs sieht man heute nicht nur im großen Nutzen des neuen Produktes für die medizinische Diagnose, sondern auch im logischen Weg zur Gründung von PharmGenomics.
Produkte nicht nur erforschen, auch entwickeln
Wer meint, dass Naturwissenschaftler nicht viel von unternehmerischem Denken verstehen, wird während eines Gesprächs mit den Unternehmensgründern sofort eines Besseren belehrt. Eindeutige Zielvorstellungen und eine professionelle Umsetzung liegen der Unternehmensidee zugrunde. „Wir haben das klar definierte Ziel, aus der Forschung Produkte zu entwickeln“, meint Eidens.
Das Produkt von PharmGenomics ist ein drei mal drei Millimeter großer „DNA-Chip“, der bestimmte Genvarianten eines Patienten testen kann. Ein wenig Blut des Patienten ist das Einzige, was man hierfür braucht. Die Biowissenschaftler haben sich zunächst auf das Testen von Medikamenten aus der Chemotherapie zur Behandlung von Dickdarm- und Brustkrebs konzentriert.
Die Bildergalerie zeigt Eindrücke aus dem Unternehmensalltag.
Der lange Weg zum eigenen Biounternehmen
Dennoch fällt einem der Aufbau eines neuen Biounternehmens nicht in den Schoß. Bereits während des Studiums haben sich Stefan Prause und Moritz Eidens mit betriebswirtschaftlichen Themen auseinandergesetzt. Durch die Unterstützung von NUK, einem Netzwerk für Unternehmensgründer, hatten sie sich das Know-how aneignen können, das für viele weitere Entscheidungen auf diesem Weg wichtig und nützlich war. Die Hochschule reichte ihren Businessplan beim bundesweiten EXIST-Förderprogramm ein. Auch die Kommission des Förderwettbewerbes war vom Gesamtkonzept überzeugt und bewilligte eine Finanzierung, die letztendlich zur Gründung der PharmGenomics GmbH in Mainz führte. Die Wahl zum Standort ergab sich durch Andreas Pfützner, ehemaliger Professor der Hochschule und Gründer des Institutes für Klinische Forschung und Entwicklung. Er ist einer der vier Teilhaber an PharmGenomics und unterstützt die Entwicklungen der Biotechfirma.
Inzwischen hat PharmGenomics seine Produktpalette erweitert: Die Biologen haben einen neuen Test entwickelt, mit dem (wieder mit einem DNA-Chip) Viren und Bakterien in der Lunge erkannt werden. Der Test erlaubt eine schnelle und differenzierte Diagnose und gibt auch Auskunft, welcher Bakterienstamm ggf. vorliegt. Damit unterstützt der Test die Entscheidung für eine bestimmte Antibiotika-Therapie und hilft nicht zuletzt bei der Überlegung, ob ein Antibiotikum geschluckt werden muss – oder eben nicht, wenn der Erkrankung „nur“ ein Virus zugrunde liegt.
Das Unternehmen ist inzwischen als medizinisches Laboratorium akkreditiert (nach EN-ISO 15189) und als Medizinproduktehersteller zertifiziert nach ISO 13485 und DIN 9001. Den Vertrieb hat PharmGenomics bereits seit einigen Jahren ausgelagert – Eidens und seine Kollegen konzentrieren sich selbst lieber verstärkt auf die Entwicklung.
Beim den 2016er „Biotechnologie Tagen“ in Leipzig stellen sie ihre neueste Entwicklung vor: einen Lateralfluss-basierten Schnelltest, der eine genetisch bedingte Überempfindlichkeit gegen ein bei einer HIV-Infektion häufig verabreichtes Medikament erkennt. Im schlimmsten Fall kann diese sog. Abacavirhypersensitivitäts-Reaktion für den Patienten tödlich sein. Der von Eidens und seinem Team entwickelte Test erkennt die entsprechende Veranlagung mithilfe einer Speichelprobe innerhalb von 20 Minuten. Damit kann eine Unverträglichkeitsreaktion mit sehr großer Sicherheit ausgeschlossen werden.
PharmGenomics vergibt Abschlussarbeiten
Ein derartiges Unternehmen eröffnet auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs neue Möglichkeiten. PharmGenomics ist inzwischen so weit etabliert, dass Studierende hier im Rahmen einer Abschlussarbeit oder in Seminaren und Studienprojekten mitarbeiten oder sich weiterbilden können. Ein System des Unternehmens ist inzwischen an der H-BRS in den Praktikakursen im Studiengang Applied Biology im Einsatz, denn Eidens steht mit einigen Professoren von früher noch immer in gutem Kontakt.
„Im Studium sollte man sich früh um Themen für die Bachelor- und Masterarbeit kümmern und versuchen, diese in Unternehmen zu machen“, rät Stefan Prause. Zudem legt Eidens analytisches und vor allem selbstständiges Denken den Studierenden ans Herz. Für den Erfolg einer solchen Einstellung sind die beiden das beste Beispiel.
Und wie schaltet Biotech-Unternehmer Moritz Eidens am liebsten ab? Einen Schnelltest, wie man den Arbeitsstress am besten hinter sich lässt, muss er hierfür glücklicherweise nicht noch entwickeln. Seine Therapie ist simpel, aber effektiv: Joggen oder Angeln am Rhein und Fußballspielen mit seinen Kumpels. Jegliche Hypersensitivitäts-Reaktionen ausgeschlossen.
Text: David Appel
Ergänzungen 2016: Barbara Wieners-Horst
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