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Mit Disziplin und Spaß: Unternehmerin Bärbel Blume macht mit 62 Jahren ihren Bachelor
Das mit dem „Du“ war ganz schnell geklärt und für Bärbel Blume auch keine Frage: Sie wollte vom ersten Tag an von ihren Mitstudierenden so angeredet werden, wie es unter Studierenden üblich ist. Der „erste Tag“ war die Begrüßung für die Erstsemester des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin. Bärbel Blume hatte sich an der Hochschule für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaft eingeschrieben. Sieben Semester Regelstudienzeit waren laut Studienordnung für den Bachelor-Studiengang vorgesehen. Ganz so selbstverständlich, wie Bärbel Blume das studentische „Du“ empfand, war es für ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen womöglich nicht. Denn im Hinblick auf ihr Lebensalter war sie zu dem Zeitpunkt eher auf Augenhöhe mit den Professorinnen und Professoren. Aber ihr war es wichtig, von Anfang an deutlich zu machen, dass sie sich als Teil der Erstsemestergemeinschaft sah und den Kontakt zu ihren Mitstudierenden suchte.
„Ich war 57 Jahre alt und die jüngste Studienanfängerin war 17“, blickt Bärbel Blume auf den Tag im Wintersemester 2017/18 zurück. „Der Kontakt mit den jungen Leuten ging dann sehr schnell. Wir haben viel voneinander gelernt, das war eine sehr schöne Erfahrung.“
Nun war es nicht so, dass die Studienanfängerin im fortgeschrittenen Alter nicht wusste, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte. Sie stand mitten im Berufsleben, als die Entscheidung für das Studium fiel. Mehr noch: Bärbel Blume leitete seit einigen Jahren als Geschäftsführerin eine in Linz ansässige Firma, die Software für die Textilbranche entwickelt. Zu tun gab es genug in dem Unternehmen mit seinen zehn Beschäftigten und mehr als 1000 Kunden. Aber nachdem sie 2015 zusätzlich die kaufmännische Geschäftsführung übernommen hatte, kam die Frage auf: „Habe ich eigentlich alles, was ich für den Job brauche?“ Und da sie schon viele Jahre den Wunsch nach einem Studium mit sich herumgetragen hatte, war nun der Weg zur Einschreibung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nicht mehr weit. Bestätigung kam von einer Freundin, die meinte: „Mach´ doch mal.“
Ganz ohne Hürden ging es dann aber doch nicht in den Hörsaal. Der Numerus Clausus, der als Filter vor dem Wunschfach Betriebswirtschaft stand, war nicht das Problem. Wohl aber das Alter der Studieninteressierten. Denn für das zugangsbeschränkte Fach, wie für alle Numerus-Clausus-bewehrten Studiengänge, hat Nordrhein-Westfalen die Altersgrenze bei 55 Jahren gesetzt. Den Weg frei machte eine Bescheinigung, die der Unternehmensleiterin einen „schwerwiegenden wissenschaftlichen oder beruflichen Grund“ attestierte.
Das Studium war „natürlich anstrengend“, schaut Bärbel Blume auf ihre Zeit an der Hochschule zurück. „Es war ja ein Vollzeitstudium“. Zugleich war sie unverändert als Geschäftsführerin gefordert. Also galt es, beides unter einen Hut zu bringen. Und so wurden Laptop und Smartphone zu ihren ständigen Begleitern in der Hochschule, um zu den üblichen Bürozeiten Briefe an Kunden zu schreiben und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kontakt zu sein – in den Pausen zwischen den Veranstaltungen und wenn es schnell gehen musste auch während der Vorlesungen. Verpassen wollte die Multitasking-Studentin dabei auf keinen Fall etwas, im Gegenteil: „Ich musste sehen, dass ich in der Vorlesung möglichst viel mitnehme, weil ich die Zeit für das Nacharbeiten nicht hatte.“ Geholfen hat ihr, dass sie nicht jede Vorlesung besuchen musste. Auch das eigentlich obligatorische Praxissemester blieb der langjährig Berufstätigen erspart.
Die Klausuren dagegen musste sie mitschreiben wie alle anderen auch. Die Vorbereitung darauf war mit Multitasking alleine nicht mehr zu bewerkstelligen, dafür nahm Bärbel Blume sich immer wieder ein paar Tage Urlaub. Richtig schwierig wurde es mit dem Alles-unter-einen-Hut-Bringen dann bei der Bachelorarbeit gegen Ende des Studiums, für die sie vier Monate Zeit hatte. Ihr Thema fand sie in einer Materie, mit der sie sich auch in ihrer Firma stark beschäftigte: EDV-Systeme in Unternehmen. Sie sagte sich: „Dranbleiben“ – und gab nach zwei Monaten ab.
Mit dem Kolloquium bei Wirtschaftsinformatik-Professor Andreas Gadatsch erbrachte sie schließlich die Prüfungsleistung, nach zehn Semestern und ungezählten Tagen, die um sechs Uhr begannen und meist nicht vor ein Uhr nachts endeten. Ihr Zeugnis bescheinige ihr sogar, erzählt Bärbel Blume mit Augenzwinkern, das Studium innerhalb der Regelstudienzeit absolviert zu haben – trotz zehn statt der veranschlagten sieben Semester. Der Grund: Wegen der Corona-Pandemie wurde die Regelstudienzeit um drei Semester verlängert.
„Es war auf jeden Fall richtig, das Studium zu absolvieren“, sagt Bärbel Blume. „Ich schaue heute anders auf viele Prozesse innerhalb meiner Firma und bin auf neue Ideen gekommen. Klar habe ich eiserne Disziplin gebraucht, anders geht es nicht. Aber ich hatte auch viel Spaß am Lernen, beides gehört für mich zusammen.“
Mit dem Lernen und dem Spaß ging es nach bestandenem Examen für die Absolventin direkt weiter, wenn auch auf ganz anderem Gebiet. Bärbel Blume gönnte sich eine Führerscheinerweiterung, um Motorroller fahren zu können. Und es ist gut möglich, dass dies nicht die letzte Zusatzqualifikation bleibt, die sie nebenher erwirbt. Ein Master-Studium jedenfalls könnte ihr gefallen. Eine Idee für die Masterarbeit hat sie auch schon: Es soll um Cloud-Computing gehen, denn das ist aktuell ein großes Thema in ihrer Firma. Bange vor übervollen Stundenplänen und kurzen Nächten ist ihr nicht, denn der Masterstudiengang an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg kann berufsbegleitend studiert werden und die Lehrveranstaltungen werden freitags und samstags angeboten. „Also ganz entspannt“, meint Bärbel Blume.
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