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Tobias Hausmann, Elektrotechnik

Als Schüler will man die Zeit des Lernens schleunigst hinter sich lassen. Man will arbeiten, Geld verdienen und die ständige Vorbereitung auf den nächsten Unterricht los werden. Im Berufsalltag angekommen, wünschen sich viele ihre Schulzeit zurück. Tobias Hausmann hat sich diesen Wunsch erfüllt, allerdings auf die andere Art.

Ruhig steht Tobias Hausmann mit seinen 32 Jahren vor 19 jungen Menschen. Direkt hinter ihm auf einem Smart Board, einer elektronischen Tafel, ist ein schwarz gezeichnetes Diagramm und der zugehörige Rechenweg zu erkennen – versehen mit roten Korrekturen. Mit einem elektronischen Stift in der Hand erklärt und zeigt er die Fehler. Tobias Hausmann ist Lehrer am Thomas-Eßer-Berufskolleg in Euskirchen.

Das Gebäude vermittelt von außen den Eindruck einer typischen Schule. Der Bau ist aus Beton, teilweise mit Klinker und ausgiebigen Fensterfronten versehen. Irgendwo hier ist Tobias Hausmann jeden Tag während der Schulzeit anzutreffen. Wer ihn sucht, findet ihn schnell: „Der größte Mann, der auf dem Weg zum Lehrerzimmer an Ihnen vorbei läuft, ist Herr Hausmann“, heißt es. Und tatsächlich: Hausmann ist an die zwei Meter groß, er fällt sofort auf. Mit Pullover, Brille und Lächeln im Gesicht macht er den Eindruck eines freundlichen, aber pflichtbewussten Lehrers.

Sofern er keine anderweitigen Aufgaben zu erfüllen hat, führt ihn sein Weg in der Pause auch direkt ins Lehrerzimmer. Zur Adventszeit sorgen hier Weihnachtsbäume und Tabletts mit Obst auf dem halben Dutzend Gruppentischen für Gemütlichkeit. Bildschirme an der großen Säule in der Mitte des Raums zeigen die Vertretungspläne. In diesem Raum bereitet sich der große Lehrer in jeder Pause auf die nachfolgende Doppelstunde vor. „Der Beruf des Lehrers umfasst auch viel Verwaltungsarbeit“, erklärt er, während er die Arbeitsblätter für seinen Unterricht heraussucht, „Ich muss zum Beispiel auch die notwendigen Unterrichtsmaterialien bestellen.“

Hausmann unterrichtet Elektrotechnik und katholische Religion. Eine ungewöhnliche Mischung, die bei einem Blick auf seinen Lebenslauf jedoch Sinn ergibt. Seinen Weg in Richtung Elektrotechnik hat Hausmann direkt nach seinem Abschluss an der Realschule eingeschlagen. Beim Deutschlandradio Funkhaus Köln absolvierte er eine Ausbildung zum Energieelektroniker. Beim anschließenden Wehrdienst erkannte er jedoch, dass ein allein technischer Beruf nicht das Richtige wäre: „Ich wollte auch mit Menschen arbeiten.“ Den überwiegenden Teil seines auf 16 Monate verlängerten Wehrdienstes verbrachte Hausmann in Bonn-Hardtberg: „Ich dachte, man würde mich sicher in der Elektrotechnik beschäftigten“, erzählt er, „Doch ungeachtet der Qualifikationen setzt die Bundeswehr ihre Leute dort ein, wo sie am dringendsten gebraucht werden.“ So kam es, dass Hausmann unter anderem Beerdigungen für verstorbene Soldaten organisierte.

Eine Arbeit, die ihn zum Nachdenken brachte. Zumal er dabei jemanden kennenlernte, der ihn zusätzlich prägen sollte: „Ich hatte einen Vorgesetzten jüdischen Glaubens, dessen Eltern damals den Holocaust überlebt haben.“ Mit ihm habe er über Gott und die Welt sprechen können. Gespräche, die ihn trotz vorhandener, aber lange vergangener Jugendarbeit in der Kirche wieder näher an die Theologie führten. „Diese Erlebnisse brachten mich dazu, mir mehr Gedanken über das Leben und den Tod zu machen“, erklärt er. Noch heute hat Hausmann Kontakt zu dem Mann, der inzwischen im Ruhestand ist.

Jedenfalls wurde Hausmann in der Wehrdienstzeit klar, dass er keinen technischen Beruf ergreifen wollte. Er fasste vielmehr eine Karriere als Lehrer ins Auge, wo er seine Schüler vielleicht auch inspirieren können würde. Allerdings war dieses Ziel nicht ohne Weiteres erreichbar: Hausmann holte zunächst sein Fachabitur nach und konnte so zumindest an einer Fachhochschule studieren. Er wählte der Einfachheit halber das Fach Elektrotechnik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Campus Sankt Augustin: In dem Fach kannte er sich schon gut aus, zudem ist Sankt Augustin seine Heimatstadt: „Es war sehr bequem, nur wenige Minuten zur Hochschule zu brauchen“, sagt er. Vor allem aber ermöglichte ihm der Abschluss in Sankt Augustin ein nachfolgendes Lehramtsstudium an der Universität Köln – die Voraussetzung für einen Lehrerjob.

Tobias Hausmann 2 (DE)

Und so unterrichtet er heute also Elektrotechnik und Theologie. Unter den Schülern ist Hausmann vor allem für seinen Wunsch nach Pünktlichkeit bekannt, die er möglichst auch vorlebt. „Einige Minuten vor dem Klingeln zum Pausenende gibt es bereits eine Art Vorklingeln“, erklärt der Lehrer. „Im Normalfall mache ich mich dann schon auf den Weg zum Klassenzimmer. Denn nur wenn ich selbst pünktlich bin, kann ich das auch von meinen Schülern verlangen.“ Als Lehrer könne man nicht alles vermitteln, einige Dinge müsse man auch vorleben. Nur so erreiche man auch die schwierigen Schüler.

Natürlich gibt es sie trotzdem: Zum Beispiel Schüler, die immer wieder den Unterricht stören. Früher hat er sie noch regelmäßig des Klassenzimmers verwiesen – das wirkte allerdings kontraproduktiv und verschlechterte das Klassenklima nur noch mehr. „Irgendwann hatte ein Schüler einen solchen Hass auf mich entwickelt, dass er mich bei einem zufälligen Treffen am Bahnhof weit unter der Gürtellinie beleidigte“, erzählt Hausmann. Statt den Betreffenden mit Missachtung zu strafen, suchte er das Gespräch mit der ganzen Klasse. „Ich erfuhr, dass diese Schüler Erfolgserlebnisse vermissten“, berichtet er. Einige Zeit später brachte er eigentlich als Lückenfüller angedachte, fachfremde Kreuzworträtsel in den Unterricht ein. Sie stießen auf überraschend viel Resonanz: Die Schüler arbeiteten nun plötzlich auch insgesamt aktiver und motivierter mit. Also setzte er die Rätsel häufiger ein. „Das Klassenklima verbesserte sich und am letzten Schultag war gerade der besagte Schüler derjenige, der sich persönlich von mir verabschiedete“, erzählt Hausmann.

Hausmann interessiert und engagiert sich für seine Schüler: Oft weiß er über ihre privaten oder gesundheitlichen Schwierigkeiten Bescheid, erkundigt sich über Veränderungen und hat ein offenes Ohr. „Manchmal ist es zwar schwer, seinen Erklärungen zu folgen, aber er setzt sich immer für die Klasse ein“, verrät einer seiner aktuellen Schützlinge.

Auch, wenn Hausmann zufällig mal einen ehemaligen Schüler trifft, erkundigt er sich nach dessen Werdegang. „Das langfristige Lernergebnis kann man während der Schulzeit ja gar nicht absehen“, sagt er, „deswegen finde ich es spannend zu verfolgen, was aus einem Schüler wird.“ Manche haben eine technische Laufbahn, andere eine akademische gewählt, wieder andere sind erst einmal Eltern geworden, manche wollen sogar selbst Lehrer werden. Weil er sich so sehr dafür interessiert, hofft Hausmann auch, dass es demnächst mal das ein oder andere Ehemaligen-Klassentreffen mit Lehrer geben wird. Bislang hat er noch keines miterlebt.

Elektrotechnik und engen Umgang mit Menschen in Kombination – Tobias Hausmann sagt, in dem Lehrerjob habe er seinen Traumberuf gefunden. Auch die geregelten Zeiten, die Möglichkeiten zur genauen Planung und die relative Sicherheit des Arbeitsplatzes kommen ihm entgegen. Gerade deswegen hat er sich auch für eine Verbeamtung entschieden. Dafür opfert er dann gern auch mal einen Teil seiner Freizeit. Bereits in den Sommerferien bereitet Hausmann sich auf das anstehende Schuljahr vor: Er organisiert den Lehrstoff, die Klausuren und plant Termine für das kommende Schuljahr, die er für die Korrekturen der Klausuren braucht. Hausmann ist da sehr pflichtbewusst: „Ich glaube, der Lernerfolg ist größer, wenn die Schüler die Ergebnisse möglichst zeitnah erhalten. Ich stelle daher an mich selbst den Anspruch, Klassenarbeiten möglichst binnen eines Tages zu korrigieren.“ Über die normalen Unterrichtszeiten am Tag und in der Abendschule hinaus engagiert Hausmann sich auch noch im Prüfungsausschuss. Dieser ist hauptsächlich dafür zuständig, die Abschlussprüfungen für Ausbildungsberufe zu betreuen und abzunehmen.

„Als ich damals mein Studium an der Hochschule in Sankt Augustin begann, gab es mehrere Kommilitonen, die mit dem Gedanken spielten, später Lehrer zu werden“, erinnert sich Hausmann, „am Ende bin ich jedoch der Einzige geblieben, der es tatsächlich geworden ist.“ Viele hatten sich wohl von dem aufwendigen, zusätzlichen Studienweg abschrecken lassen. Er jedoch nicht. Und so steht Tobias Hausmann heutzutage überwiegend vor Klassen, in denen Mechatroniker oder Elektrotechniker ausgebildet werden. Manchmal mit einer herkömmlichen Tafel im Rücken, manchmal mit der modernen Elektrotechnik-Version – stets aber mit dem Wunsch, jungen Menschen neues Wissen zu vermitteln – und zwar pünktlich!

 

Text: Anja Häsel

Anja Häsel studiert Technikjournalismus an der H-BRS. Sie schrieb dieses Porträt im Rahmen eines Alumni-Projekts im Studiengang Technikjournalismus im Wintersemester 2015/2016.

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